Saddams Welt

Irak zählt zu den zehn pressefeindlichsten Ländern der Erde. Unabhängige Informationen höchstens per Radio

BERLIN taz ■ „Hans Blix – wer ist denn das?“ Wer so fragt, lebt hinter dem Mond. Oder im Irak. Die ganze Welt verfolgte seit der Wiederaufnahme der Waffeninspektionen am 18. November 2002 die Arbeit der UN-Inspektoren. Nur in den irakischen Medien fand das Ereignis keine Erwähnung.

Dass der Irak aktuell zu den zehn pressefeindlichsten Ländern der Welt gehört – so der kürzlich erschienene Bericht der Organisation Reporter ohne Grenzen (Volltext unter www.rsf.org)–, ist bekannt und wenig verwunderlich. Weniger bekannt ist dagegen, dass der Irak noch Anfang des 20. Jahrhunderts, gegen Ende der osmanischen Herrschaft und zu britischen Kolonialzeiten zu den Ländern mit der freiesten Presse im arabischen Raum gehörte. Mit der Revolution der Militärs 1958 und dem Ende der Monarchie, spätestens dann ab der Machtübernahme der Baath-Partei 1963 kam es jedoch zur völligen Gleichschaltung aller Medien. Oppositionelle Zeitungen wurden geschlossen, missliebige Journalisten gefoltert und umgebracht. Seit 1986 droht auch offiziell jedem die Todesstrafe, der wagt, den seit 1979 amtierenden Präsidenten Saddam Hussein, seine Anhänger oder die Baath-Partei öffentlich zu kritisieren.

Die Journalisten stehen dementsprechend unter dem ständigen Druck, auch nicht den geringsten Zweifel an ihrer Unterstützung für Saddam Hussein aufkommen zu lassen. Das Ergebnis wirkt häufig unfreiwillig komisch. Nachdem Saddam Hussein im September 2002 bei einem Referendum „100 Prozent Zustimmung“ erhalten hatte, schlug die Zeitschrift Al-Zaoura vor, den Tag ab nun jedes Jahr als „Tag der Liebeserklärung“ zu feiern. Außerdem solle das Volk künftig nicht mehr zwischen „Ja“ oder „Nein“ auswählen, sondern zwischen „Wir lieben ihn sehr“ und „Wir lieben ihn enorm“. Doch in Wirklichkeit hält sich die Begeisterung der irakischen Journalisten wohl in engen Grenzen: „Nur eine Minderheit unterstützt Saddam Hussein von ganzem Herzen“, meint ein irakischer Journalist in Paris. „Aber sie haben Familie, Kinder, keine Möglichkeit, um das Land zu verlassen, und leben in Furcht.“

Unabhängige Information hat im Irak seltenheitswert. Seit Anfang der 90er-Jahre sind Satellitenschüsseln, mit denen man ausländische Sender empfangen kann, verboten. An einen privaten Internetanschluss zu gelangen, ist aufgrund hoher bürokratischer Hürden so gut wie ausgeschlossen. Die ungefähr 30 Internetcafés des Landes werden ständig überwacht, der Zugang zu internationalen E-Mail-Diensten wie „Hotmail“ ist nicht erlaubt. Am ehesten gelingt es noch per Radio, ausländische Nachrichten zu empfangen.

Ausländische Journalisten, die aus dem Irak berichten wollen, scheitern oft bereits an der willkürlichen Visa-Erteilung. Ins Land gelassen, stehen die meisten dann unter ständiger Kontrolle eines Minders, eines Aufpassers, dem offiziell natürlich nur die Unterstützung ihrer Arbeit am Herzen liegt. Interviewpartner trauen sich in der Regel nicht, in dessen Anwesenheit frei zu sprechen. Sensible Themen und Gespräche über Politik sind ohnehin tabu, es drohen Arbeitsverbot – für die irakischen Kollegen – oder, für internationale Berichterstatter, die unfreiwillige Ausreise. JAKOB SCHLINK