michael naumann vor gericht
: Durchgeknallter Panzerkreuzer

Gestern stand der „Zeit“-Herausgeber Michael Naumann vor Gericht, weil er Michel Friedmans Staatsanwalt beleidigt haben soll

Justitia ist bekanntlich blind. Was auch erklärt, dass der Aushang im Eingang des Berliner Landgerichtsgebäudes eine Verhandlung gegen einen gewissen Doktor Neumann, Michael ankündigte. Gemeint war natürlich Naumann, Mitherausgeber und Chefredakteur der Zeit und früher Kulturstaatsminister. Der hatte am 28. Juni letzten Jahres auf dem Sender n-tv beim „Talk in Berlin“ den Generalstaatsanwalt Hansjürgen Karge als „durchgeknallten Staatsanwalt“ bezeichnet.

Thema von „Talk in Berlin“ war seinerzeit „Michel Friedman, die Öffentlichkeit und die Moral“. Dabei wurde unter anderem diskutiert, dass schon sehr früh Details über die Ermittlungen gegen Friedman an die Presse gelangten. Wofür Naumann den Generalstaatsanwalt nun für verantwortlich hält. Ob man ihn deswegen als durchgeknallt bezeichnen darf, ohne dass das als Beleidigung zu bewerten wäre, war die Frage, über die Richterin Karin Miller zu befinden hatte.

Die Verhandlung artete allerdings etwas aus, so dass sie um 15 Uhr vertagt werden musste – was an der Fülle der Anträge von Naumanns Anwälten lag. Richtig interessant wurde es, als Anwalt Becker den Generalstaatsanwalt Karge als Zeugen laden wollte. Becker hatte schon mal einen Schriftsatz vorbereitet, in dem stand, was Karge wohl aussagen würde – ein Konglomerat aus Zitaten, die Becker offenbar der Presse entnommen hatte und die Karge zugeschrieben wurden. So tauchten Bonmots auf wie: „Ich vergleiche mich in meiner Funktion als Generalstaatsanwalt gerne mit einem Panzerkreuzer.“ Außerdem müsse mehr verhaftet und dann schneller ermittelt werden, soll Karge gesagt haben. Besonders stach dieses Zitat hervor: „Auf objektive Verstöße müssen Sanktionen folgen. Das weiß jeder, oder auch nicht, von den primitiven Buschnegern bis zu den Tieren.“ Es war offenbar eine Gesamtwürdigung der Person Karge, die Naumann im Sinn hatte. Und wer diese Zitate liest, beginnt zu verstehen.

Je mehr man über Karge erfährt, desto dringender möchte man das Recht haben, ihn als durchgeknallt bezeichnen zu dürfen. Insofern ließ es sich während der Verhandlung kaum vermeiden, immer weiter auf die Seite des angeklagten Zeit-Herausgebers zu rutschen. Ob die Richterin allerdings auch der Auffassung ist, dass „durchgeknallt“ im Kontext nicht als Beleidigung zu werten ist, ist zweifelhaft. Sie ließ bereits durchblicken, dass sie dazu neigt, „durchgeknallt“ als so genannte Formalbeleidigung werten zu wollen. Dafür käme es dann nicht mehr wesentlich darauf an, auf welche Kenntnisse über Karge Naumann seine Äußerung stützte. Beleidigung bliebe Beleidigung, egal wie durchgeknallt der Beleidigte auch sein mag.

Die Verhandlung wird am 28. Januar fortgesetzt. HEIKO DILK