Zwangsumtausch in Peso war rechtswidrig

Der Oberste Gerichtshof in Buenos Aires verurteilt die erste Bank, einem Anleger sein Guthaben in Dollar auszuzahlen

BUENOS AIRES taz ■ Es geht nichts über die richtige Prozessstrategie. Die Nacht von Dienstag auf Mittwoch schlief Alicia Lemme, Gouverneurin der argentinischen Provinz San Luis, auf einem harten Ledersessel gegenüber dem Verhandlungssaal des Obersten Gerichtshofs in Buenos Aires. Sie wollte damit die hohen Richter bewegen, ihr Anliegen gut zu durchdenken. Es funktionierte. Am Mittwoch erklärte der Oberste Gerichtshof den Zwangsumtausch von Dollarkonten in Pesoguthaben vom vergangenen Jahr für verfassungswidrig. Die Richter stellten klar: Wer Dollar angelegt hat, muss von der Bank auch Dollar zurückbekommen.

Jetzt muss die Banco de la Nacion 247 Millionen Dollar an die Provinz San Luis zurückzahlen. Diese Summe hatte der Provinzschatzmeister dort angelegt, als der mehr als zehn Jahre lang an den US-Dollar gebundene Peso im Januar vergangenen Jahres im Verhältnis von einem Dollar zu 1,4 Pesos abgewertet wurde. Inzwischen kostet der Dollar 3,21 Pesos. Dieses Verfahren verstößt nach Ansicht der Obersten Richter gegen das in der Verfassung garantierte Recht auf Eigentum. Zudem seien Anleger nicht für finanzpolitische Entscheidungen der Zentralregierung haftbar zu machen. Das Gericht gab Bank und Provinzregierung sechzig Tage Zeit, um sich über die Modalitäten der Rückzahlung zu einigen.

Die Entscheidung der Richter könnte zum Präzedenzfall werden. Nach Angaben eines Justizsprechers stapeln sich auf den Schreibtischen argentinischer Richter 100.000 Klagen gegen den Zwangsumtausch.

Die argentinische Regierung bemühte sich, gelassen zu reagieren. Die Redollarisierung sei nur in „einem spezifischen Fall“ angeordnet worden und daher nicht übertragbar. Wirtschaftsminister Roberto Lavagna sagte, das Urteil „gefährdet weder unser Wirtschafts- noch unser Währungsprogramm“.

Unter argentinischen Ökonomen ist hingegen eine Debatte entbrannt, wie die Regierung die Rückzahlung finanzieren soll. Eine Möglichkeit wäre es, einen Bond für die Dollarsparer zu emitieren. Das würde die Schuldenlast des Landes von derzeit rund 141 Milliarden Dollar aber erheblich steigern. Die zweite Möglichkeit wäre eine Ausgleichszahlung der Regierung an die Banken, wozu aber ebenfalls Neuemissionen nötig wären.

Einige Ökonomen sind ganz dagegen, dass der Staat den Banken zu Hilfe eilt. So meint José Sbatella, vom Institut für Finanz- und Wirtschaftsstudien, die Banken hätten während der 90er-Jahre „Supergewinne“ gemacht und an ihre Mutterhäuser im Ausland überwiesen, deshalb fehle es jetzt an Liquidität. Es gebe keinen Grund, das Problem der Gesellschaft aufzubürden.

Bankenvertreter reagierten weniger gelassen. Die Geldinstitute sehen sich außerstande die Dollarguthaben komplett zurückzuzahlen. Der Präsident des Rates lateinamerikanischer Sozialwissenschaftler, Atilio Boron, hielt dagegen, dass allein im Jahr 2002 17 Milliarden Dollar ganz legal aus Argentinien abgezogen worden seien. Wäre dieses Geld noch im Land, müsste man sich keine Sorgen machen. Er warnte auch davor, dass die Banken nun ihre Dollarkredite in Dollar zurückfordern könnten – allerdings könne kein Schuldner heute noch Außenstände in Dollar bedienen. INGO MALCHER

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