Lemgo will den EM-Sieg

Bei der Handball-Europameisterschaft in Slowenien gehört das deutsche Team zu den Favoriten. Fünf Spieler aus der Anfangs-Sieben kommen vom Bundesligisten TBV Lemgo

VON TIMO NOWACK

Die deutsche Handballbundesliga gilt als stärkste Liga der Welt. Nahezu alle Vereine schmücken sich mit ausländischen Weltstars, nur der TBV Lemgo nicht. In Ostwestfalen spielt fast die komplette Startformation der deutschen Nationalmannschaft: Daniel Stephan, Markus Baur, Florian Kehrmann, Christian Schwarzer, Volker Zerbe und Torhüter Christian Ramota.

In Lemgo sind deutsche Spieler ein Konzept: „Alle Spitzenvereine müssen Spieler für internationalen Turniere abstellen. Wir haben den Vorteil, dass wir unsere Spieler en Block abgeben und en Block zurückbekommen. Sie spielen in fast der selben Konstellation in der Nationalmannschaft wie im Verein“, erklärt Fynn Holpert, ehemaliger Torhüter und heute Manager und Geschäftsführer in Lemgo. Selbstbewusst spricht er vom „TBV Deutschland“. Schon 1994 begannen die Lemgoer mit der Förderung deutscher Talente wie Daniel Stephan. 2001 holte der Verein Baur, Schwarzer und Ramota dazu.

Der Erfolg gibt Holpert Recht – der TBV ist amtierender deutscher Meister und die Nationalmannschaft Vizewelt- und Europameister. Immer mit dabei: Kapitän Markus Baur. Er bestimmt Tempo und Taktik. Um ihn herum wurde das Spielsystem gebaut. „Die Spielzüge sind in unzähligen Trainingseinheiten einstudiert worden“, sagt Markus Baur, „alles muss aber genau passen.“ Probleme, Spieler aus den anderen Vereinen zu integrieren, gebe es nicht. „Bei der Mannschaftsbesprechung und im Training wird ja jeder in unser System eingeführt.“

Das Lemgoer System soll den Spielern möglichst früh beigebracht werden. Der ehemalige Spieler Ulf Gantschow wurde daher kürzlich als Jugendkoordinator eingestellt. Bis zur letzten Saison trat er noch selbst für den TBV in der Bundesliga an, dann musste er seine Karriere aber verletzungsbedingt beenden. Die Bindung alter Spieler scheint sich auszuzahlen. Von den jungen Spielern, die jetzt schon für den TBV spielen, lobt Ulf Gantschow besonders den 18-jährigen Rückraumspieler Sven-Sören Christophersen: „Ein Talent wie er könnte es mal in die Nationalmannschaft schaffen.“ Beim Sieg des TBV über die SG Kronau-Östringen am vergangenen Bundesligaspieltag beeindruckte Christophersen mit 5 Treffern. Ebenso oft traf auf gegnerischer Seite Mariusz Jurasik. Der ist polnischer Nationalspieler und Vorrundengegner der deutschen Nationalmannschaft bei der EM in Slowenien.

Neben Polen muss TBV Deutschland in der Vorrunde gegen Serbien & Montenegro und Frankreich ran – nach Einschätzung von Bundestrainer Heiner Brand die stärkste Gruppe des Turniers. Fynn Holpert hält trotzdem alles für möglich: „Ich traue unserer Mannschaft zu, den Titel zu holen, aber es gibt zehn weitere Teams, die Europameister werden können.“ Von Platz eins bis sechs sei alles denkbar ist.

Zuletzt zeigte die deutsche Mannschaft mit einem fünften Platz beim Sechsländerturnier und einer Niederlage im Testspiel gegen Olympiasieger Russland Schwächen. Erst beim letzten Test gegen die Russen am vergangenen Sonntag in der heiligen Stätte des deutschen Handballs, der Dortmunder Westfalenhalle, konnten die Deutschen mit einem 29:20-Sieg wieder überzeugen. Besonders durch eine solide Abwehrarbeit. Genau darin liegt auch der Schlüssel für eine erfolgreiche EM, sagt Fynn Holpert: „Spiele gewinnt man im Angriff, Meisterschaften in der Abwehr. Wenn die Abwehr steht, sind die Deutschen nur sehr schwer zu schlagen.“

Seit dem Gewinn der Bronzemedaille bei der EM 1998 geht es mit dem deutschen Handball wieder bergauf und die Nationalmannschaft schaffte es bei der EM 2002 und der WM 2003 bis ins Finale. Dabei bilden die Spieler aus Lemgo das Grundgerüst der Mannschaft. „Ich glaube, dass wir einen großen Anteil haben am Erfolg“, sagt Fynn Holpert selbstbewusst. Die Lemgoer würden im Verein jeden Tag zusammenspielen und seien dadurch als Mannschaft sehr belastungsfähig. Probleme gibt es, wenn wichtige Spieler ausfallen. So wie im WM-Finale 2003. Volker Zerbe konnte nicht spielen, Markus Baur ging angeschlagen ins Spiel. Mit dem Titel wurde es wieder nichts. Wie ein Jahr zuvor, im EM-Finale gegen Schweden.

Heute Abend trifft das DHB-Team auf Polen. Bundestrainer Heiner Brand sieht den Gegner als „Team mit vielen guten Angriffsspielern aus der Bundesliga, wie zum Beispiel Tkaczyk (Magdeburg), Przybecki (Kiel), Lijewski (Flensburg) oder Jurasik (Kronau/Östringen) und einigen guten jüngeren Spielern, dem es lediglich an internationaler Erfahrung fehlt.“ Morgen wartet dann mit Titelaspirant Frankreich der wohl größte Brocken auf den TBV Deutschland. Sollten Baur und Co. die schwere Vorrunde durchstehen, ist alles möglich und vielleicht kommt der neue Europameister ja dann sogar aus NRW.