haute couture (3)
: Auf die Straße der Repräsentation gleiten

Bei Hanae Mori sitzt die eigentliche Hauptperson auf den Publikumsbänken: die Gattin

Tief hängender Himmel und graues Nass: Die Sommersaison gedanklich vorauszunehmen, fällt in Paris derzeit schwer. Doch was macht es schon, dass die Seine dieselbe Farbe wie der Louvre hat: Finden doch die Schauen in illustrer Abgeschiedenheit statt. Im Paralleluniversum der Mode gibt es keine Witterung; es sei denn, die für das Kommende.

Was liegt in der Luft? Hanae Mori, als einzige Japananerin von der Pariser „Chambre Syndicale de la Haute Couture“ als Mitglied anerkannt, präsentiert ihre Entwürfe unter den großen Kronleuchtern des Hotel Bristol. Keine spektakuläre Performance von den Kleidern abgesehen: mit den sorgsamen Steckfrisuren könnten die Models problemlos ins Leben gleiten – vorausgesetzt, es ist der Repräsentation gewidmet. Die Kostüme der Tagesmode sind tragbar und klassisch geschnitten, nur scheint es bisweilen, als seien die Techniken der Couture einfach wertsteigernd appliziert, was ihnen eine Tendenz zum Kitsch verleiht.

Moris Couture verkauft sich sehr gut in Botschaftskreisen, so heißt es. Gattinnen, versteht sich: Überhaupt ist die Gattin – neben einigen Stars und den Models, mit denen man in einer Mischung aus Brutalität und Huldigung verfährt – die Hauptperson der Haute Couture. Man werfe einen Blick auf das Lächeln der Liftings in der ersten Publikumsreihe, und man kann sich des deutlichen Eindrucks nicht erwehren, dass sich mit der Haute Couture ein zutiefst bürgerliches Moment in die Nachmoderne hinüber gerettet hat: Die Frau stellt die Zahlungsfähigkeit des Mannes aus.

Dennoch, das Material schließlich ist unschuldig, und das Material ist wunderschön. Nach dem Defilee kann man backstage an den Roben nesteln, bevor sie von den Garderobieren in Plastik gehüllt werden. Da ist das anliegende Crêpe-Georgette-Kostüm in Fuchsia. Auf dem Catwalk waren Farbe und Fall sehr charmant, jetzt lässt sich der Schnitt nachvollziehen: Die Jacke ist seitlich gebunden, anstelle eines Kragens wird der Stoff als Shawl gerafft, die Mittelnaht sitzt hoch in der Taille. Oder die lange Abendrobe: Mitternachtsblau spielt ins Türkise hinüber, ein schwarzes Muster liegt darüber, wie die Schatten der Zweige im Mondlicht. „Natur“, sagt Madame Mori auf die Frage nach Idee und Inspiration für die Modelle. Das Wasserfalldecolleté lässt im Rücken pinkfarbenes Futter sehen, und am verstürzten Saum kann man immense Nahtzugaben fühlen: Meist ist die Kundin fülliger als das Model.

Es gibt eine Tendenz zur Präsentation im kleinen Kreis: Ungaro, Givenchy, sie alle zeigten im Salon. Jean Paul Gaultier hat im Museum für afrikanische Kunst zahlreiche weiße Räume geschaffen. Langsam und zufallsbestimmt wandeln die Models durch die Séparées, begleitet von einer Directrice, die die Entwürfe vorstellt. Man merkt ihnen an: Sie sind mehr Platz gewöhnt. Fischhaut, transparente Phyton: Von weitem sieht vieles gleich aus, deshalb kennt Gaultiers Defilee nur erste Reihen. Er habe an den Samurai gedacht, sagte der Modeschöpfer im französischen Fernsehen. Doch die Modelle zitieren native Kleidung quer durch die Kontinente, mit der Korsage im Mix. Und die Frisuren: Die Zähne des Kamms hängen als Pony über der Stirn. Ob es die Haute Coiffure bis auf die Straße schafft? KATHRIN KRUSE