Modrow begrüßt Straßburger Urteil

Ex-DDR-Ministerpräsident sieht eigene Politik von 1990 bestätigt. Bund und Länder schieben sich gegenseitig Zuständigkeit für Entschädigung der Enteigneten zu

BERLIN dpa ■ Ex-DDR-Ministerpräsident Hans Modrow hat gestern das Straßburger Urteil zu Landenteignungen von Erben ehemaliger DDR-Bauern als Bestätigung seiner Politik begrüßt. Er habe eine Rechtsgrundlage schaffen wollen, um die Interessen der DDR-Bürger zu wahren. Die Modrow-Regierung hatte 1990 die Vergabe von enteignetem Grundbesitz gesetzlich geregelt. Dies hatte die Bundesregierung 1992 aufgehoben – was der Europäische Gerichtshof nun wiederum als Verstoß gegen die Menschenrechte wertete.

Nach dem Straßburger Urteil schieben sich Bund und Länder nun gegenseitig die Zuständigkeit für eine eventuelle Entschädigung enteigneter Besitzer von Bodenreformland zu. Brandenburgs PDS-Chef Ralf Christoffers fordert, dass nicht das Land, sondern der Bund dafür aufkommt. Schließlich habe die Bundesregierung unter Kohl die Regelung der Modrow-Regierung außer Kraft gesetzt, sagte er gestern.

Laut Bundeslandwirtschaftsministerium hätten jedoch die Länder eine Entschädigungsleistung zu tragen. Agrar-Staatssekretär Gerald Thalheim (SPD) nannte das Urteil erstaunlich. Schließlich hätte das Bundesverfassungsgericht die deutsche Regelung für rechtens erklärt, sagte er der Leipziger Volkszeitung.

Die Klägerseite rechnet nicht mit einem Widerspruch des Bundes. Die Anwältin der Erben ehemaliger DDR-Bauern, Beate Grün, sagte gestern im Radio, die juristischen Hürden seien sehr hoch. Befürchtungen von Bund und Ländern, dass nun mit Entschädigungsforderungen in Milliardenhöhe zu rechnen sei, wies sie zurück. „Ich glaube, das ist ein Missverständnis mit der Entschädigung. Es handelt sich ja um die Individualbeschwerden von insgesamt fünf Klägern, und die Konvention sieht vor, dass der einzelne Beschwerdeführer eine Entschädigung bekommt.“ Und darüber sei noch gar nicht entschieden worden, so Grün.