Pünktlich zum Sieg: Tiefschlaf

So feiern deutsche Obama-Fans in Berlin-Friedrichshain: ohne Optimismus, zwecks Absicherung gegen Gemütsverirrungen, dafür mit Jägermeister und virtuellem Mann

BERLIN taz ■ Mit der Freundin, die ebenfalls lange in den USA gelebt hat, saß sie die Nacht vorm Fernseher. Virtuell, aber lebendig mit dabei: der Gatte in New York, via Skype. „Als Pennsylvania um halb drei an Obama ging, war eigentlich alles klar“, sagt sie. „Aber wir haben uns verweigert und haben uns weiter bemüht, aus den Nachrichten was Schlechtes herauszufiltern.“

Optimismus war verboten, denn Optimismus hatte 2000 und 2004 böse Folgen gehabt. Nie wieder sollte ein republikanischer Präsident sich an heller Verzweiflung, überraschter Enttäuschung deutsch-amerikanischer Ostküsten-Akademiker weiden dürfen. Bewaffnet bis an den Haaransatz mit grimmigem Pessimismus wollte man die Nacht in Berlin-Friedrichshain durchstehen. Bagel mit Cream Cheese, Lachs und roten Zwiebeln, Pizza, Jägermeister und Marillenlikör mussten dabei helfen. Der Gatte in New York kaute und trank auf Skype das Gleiche.

Auch der Gatte in New York unkte aus Leibeskräften: Waren wegen der Warteschlangen nicht schon wieder Stimmen der Armen und Alten verloren gegangen? Wäre Ohio nicht notorisch unzuverlässig? Gemeinsam suchten sie die einschlägigen Blogs und Seiten im Internet nach Beweisen ab, dass McCain noch gewinnen könnte. „Bis endlich fivethirtyeight.com sagte, dass McCain ab sofort null Prozent Chancen hätte.“

Als Ohio gewonnen war, fiel die Freundin in einen plötzlichen Tiefschlaf. Sie selbst hielt dagegen noch bis zu Obamas Siegerrede kurz nach sechs durch. „Und als dann Joe Biden auf die Bühne kam und so unglaublich glücklich aussah, da musste ich natürlich tatsächlich weinen“, sagt sie. ULRIKE WINKELMANN