Schlag gegen Kurdenparteien

Türkisches Verfassungsgericht verbietet prokurdische Hadep wegen Unterstützung der PKK und Separatismus. Verbotsantrag gegen weitere kurdische Partei gestellt

ISTANBUL taz ■ Nach einem mehr als zwei Jahre andauernden Verfahren hat das türkische Verfassungsgericht in Ankara gestern die prokurdische Volkspartei Hadep verboten. Die Partei wird mit sofortiger Wirkung untersagt, das Parteivermögen beschlagnahmt und die 46 Vorstandsmitglieder, inklusive Parteichef Murat Bozlak, werden für fünf Jahre mit einem Politikverbot belegt – das heißt, sie dürfen weder ein öffentliches Amt noch ein Parteiamt bekleiden.

Nach Auskunft des Gerichts fiel die Entscheidung im Richterkollegium einstimmig. Der Vorsitzende Richter Mustafa Bumin sagte zur Begründung des Votums, das Gericht sehe es als erwiesen an, dass die Hadep die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK „in Wort und Tat“ unterstützt habe. Die Hadep habe nicht nur Propaganda für die PKK und ihren inhaftierten Vorsitzenden Abdullah Öcalan gemacht, sondern die PKK auch aktiv unterstützt.

Die Hadep teilt damit das Schicksal von bereits drei Vorgängerparteien, die ebenfalls seit Beginn der Neunzigerjahre jeweils mit der Begründung, sie unterstützten die PKK und strebten die Teilung der Türkei an (Seperatismusbestrebungen), verboten worden waren. Der Vorsitzende der Hadep, Murat Bozlak, sagte deshalb in einem Interview im Nachrichtenkanal NTV, er habe mit dieser Entscheidung gerechnet, in der Partei sei man nicht überrascht davon.

Tatsächlich hatte die Hadep sich längst auf ein Verbot vorbereitet und war schon bei den letzten Parlamentswahlen im November vergangenen Jahres, bei denen sie in 13 Südostprovinzen die meisten Stimmen geholt hatte, unter dem Namen Dehap angetreten. Die Hadep wird ihre Aktivitäten deshalb nun ganz unter dem Label Dehap konzentrieren. Ihre Vertreter in den Kommunalverwaltungen, wie zum Beispiel die Bürgermeister in Diyarbakir und anderen Städten im Südosten der Türkei, werden offiziell Mitglied der Dehap.

Eigentlich sollten die ständigen Verbote missliebiger Parteien aus dem kurdischen und islamischen Spektrum durch eine Reform des Parteiengesetzes, dass das türkische Parlament im letzten Jahr verabschiedet hat, beendet werden. Nach Auffassung des Verfassungsgerichts waren die Verstöße aber so gravierend, dass ein Verbot trotzdem gerechtfertigt ist.

Der Generalstaatsanwalt Sabih Kanadoglu hat gestern bereits demonstriert, dass er auch in Zukunft nicht gewillt ist, mit politischen Parteien vorsichtiger umzugehen. Er hat umgehend einen Antrag auf Verbot der Dehap eingebracht, allerdings mit der schwachen Begründung, die Dehap habe vor den letzten Wahlen gefälschte Unterlagen vorgelegt.

Mit der Entscheidung des Verfassungsgerichts und der einen Tag zuvor bekannt gegebenen Rüge für den Öcalan-Prozess durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg, ist die in den vergangenen Jahren stets verdrängte kurdische Frage nun von neuem auf die Tagesordnung der türkischen Politik gesetzt worden. Bisher hat die neue Regierung der AKP noch keine weiteren Erklärungen über ihre zukünftige Kurdenpolitik abgegeben.

JÜRGEN GOTTSCHLICH