„Region abrüsten“

Würden die UN ihre Resolutionen befolgen, so redeten sie nicht über Krieg, sondern über eine Befriedung der Region

taz: Sie reden im Zusammenhang mit der Debatte um die UN-Resolution 1441 zum Irak von „vergessenen Resolutionen“. An welche denken Sie dabei?

Clemens Ronnefeldt: Ich denke dabei vor allem an die Resolutionen 687 aus dem Jahre 1991 und 1284 aus dem Jahre 1999. Auf beide wird in der Resolution 1441 vom 8. November 2002 Bezug genommen, beide sind bis heute gültig. Die vom Sicherheitsrat nach Ende des Golfkrieges 1991 verabschiedete Resolution 687 verpflichtet zum Beispiel alle Mitgliedstaaten auf die Souveränität, die territoriale Integrität und die politische Unabhängigkeit Kuwaits und Iraks. Während die USA und Großbritannien alle Resolutionen nur auf die Abrüstung des Iraks hin lesen, hatte der UN-Sicherheitsrat jedoch ein die Grenzen Iraks überschreitendes Sicherheitskonzept im Blick.

Mit welchem Ziel?

Das Ziel ist, eine Zone im Nahen Osten zu schaffen, die frei ist von Massenvernichtungswaffen und allen Flugkörpern zu deren Einsatz. Nicht nur Irak soll demnach abgerüstet werden. Das Ziel ist vielmehr eine umfassende Rüstungskontrolle.

Was müsste passieren, wenn die „vergessenen Resolutionen“ beachtet würden?

Ein erster Schritt wäre die Abkoppelung der Sanktionen von der Abrüstung des Irak. Denn trotz der Rücktritte der für das Öl-für-Lebensmittel-Programm zuständigen UN-Diplomaten Dennis Halliday und Hans von Sponeck sowie der leitenden UN-Mitarbeiterin Jutta Burghard wegen des Todes von etwa 5.000 bis 6.000 Kindern im Monat hat sich kein Sicherheitsratsmitglied bisher für eine Verbesserung der humanitären Situation eingesetzt. Es gibt in der Geschichte der UN keinen vergleichbaren Fall für diese Rücktritte hoher Diplomaten, ebenso wie für unterlassene Hilfeleistung für ein Land, in dem unter anderem durch UN-Sanktionen seit 1991 weit mehr als eine Million Tote zu beklagen sind.

Welche Schritte hin zu einer regionalen Abrüstung könnte der Sicherheitsrat demnach einleiten?

Die Mitglieder des Sicherheitsrates könnten nach dem Wortlaut der genannten Resolutionen ihren Verpflichtungen dadurch nachkommen, dass sie eine Konferenzfolge nach KSZE/OSZE-Vorbild ins Leben rufen, an deren Ende ein ABC-Waffen-freier Naher und Mittlerer Osten sowie ein regionaler Friedens- und Sicherheitspakt stehen könnten. Dabei könnten die bekannten syrischen oder iranischen C-Waffen ebenso abgebaut werden wie die israelischen Atomwaffen.

Ich frage mich: Wer übernimmt eigentlich die Verantwortung für diese Versäumnisse? Wer übernimmt Verantwortung für die damit einhergehende Verletzung der UN-Resolutionen 687 und 1284, die mit zur Zuspitzung der derzeitigen Lage beigetragen haben?

INTERVIEW: THOMAS KLEIN