Sparpolitik zeugt nicht von Weitblick

Mitarbeiter Kölner Jugendzentren fürchten angesichts der Kürzungen, die heute im Landtag verabschiedet werden, weitere Schließungen. Freizeitangebote zur Gewaltprävention etwa dürften wegfallen. Jugendamt rechnet mit enormen Folgekosten

VON KIRSTEN PIEPER

Die Einsparungen treffen an empfindlicher Stelle, auch wenn die rot-grüne Koalition in Düsseldorf auf Grund des öffentlichen Drucks finanziell nachgelegt hat. Gerade vor dem Hintergrund der ansteigenden Jugendkriminalität werden die Kürzungen, die der nordrhein-westfälische Landtag heute im Rahmen der Verabschiedung des Doppelhaushalts 2004/ 2005 beschließen wird, besonders bei den offenen Jugendeinrichtungen Spuren hinterlassen.

„Bei den Jugendzentren gibt es keine Speckröllchen mehr, jeder Euro, der gekürzt wird, führt zu Standortschließungen“, sagt Ruth Hartmann vom Kölner Jugendamt. Bei dem geplanten Haushalt fallen für Köln allein 750.000 Euro Landesmittel für die kommenden zwei Jahre weg. Das macht eine Schließung von bis zu acht offenen Jugendeinrichtungen unumgänglich. Ende des Jahres hatte die Stadt Köln bereits kommunale Gelder für den Jugendbereich gestrichen.

Drei hauptamtliche Mitarbeiter kümmern sich um den Jugendbereich des Bürgerzentrums in Bocklemünd. „Vor einem Jahr hatten wir hier zusätzlich noch fünf Honorarkräfte. Die sind aber längst entlassen“, sagt der Leiter des Bürgerzentrums, Bernd Giesecke. Die habe er wegen der Kürzungen der städtischen Mittel entlassen müssen.

Die Stadt Köln hatte nach einem Ratsbeschluss vom 18. Dezember den Kinder- und Jugendzentren mitgeteilt, dass sie die städtischen Zuschüsse Ende 2003 drastisch kürzen werde, so Giesecke. „Das Damoklesschwert hing über allen Einrichtungen“, erinnert sich der Pädagoge. Sechs der 68 Jugendzentren hat die Stadt Köln daraufhin geschlossen, darunter die Offene Tür in Esch, das Jugendzentrum Sharifeh in der Innenstadt und die Jugendeinrichtung Birkenallee. Das Jugendzentrum an der Rhöndorferstraße hat freiwillig aufgegeben. „Man schließt lieber punktuell, als linear alle platt zu machen“, beschreibt Giesecke das Vorgehen der Stadt.

Noch kann das Bürgerzentrum in Bocklemünd 35 Stunden in der Woche Anlaufstelle für Jugendliche sein. Doch wenn erst die Landesmittel ausgedünnt würden, so Giesecke, müssten sich zwangsläufig auch die Öffnungszeiten ändern. „Wenn eine 20-Stunden-Stelle wegfällt, kann man sich das ja genau ausrechnen.“

Einen Schwerpunkt bilden in Bocklemünd Freizeitangebote zur Gewaltprävention. „Dafür haben wir eigens einen Sportlehrer“, sagt Giesecke. Auch gebe es jeden Donnerstag einen Mädchentag im Zentrum. In Zukunft müsse überlegt werden, welche Angebote aus Kostengründen von der Agenda verschwinden, so Giesecke. Anne Grose, Mitarbeiterin des Bürgerzentrums Alte Feuerwache im Agnesviertel, beschreibt das Zukunftsszenario noch schwärzer: „Wenn das so weiter geht, können wir demnächst nur die Tür aufmachen, wieder zumachen und hoffen, dass nichts geklaut wird.“

Auch Ruth Hartmann vom Kölner Jugendamt beobachtet die Kürzungen des Landes kritisch. „Den schwarzen Peter bekommen die Kommunen“, so die Beamtin. Das Land ziehe sich in einem Stufenplan sukzessive aus der Finanzierung zurück. So seien die Mittel für die Stadt Köln für offene Jugendarbeit von 2,2 Millionen Euro im Jahr 2002 auf 2 Millionen Euro im Jahr 2003 auf nun 1,5 Millionen für 2004 und schließlich nur noch auf 1,26 Millionen für 2005 runtergeschraubt worden. Der Plan für 2006: weitere Kürzungen. Da aber die Infrastruktur der über 60 Kölner Jugendeinrichtungen auf dem Budget von 2002 basiere, sei ohne schmerzliche Einschnitte nichts mehr zu machen, so Hartmann. Die Beamtin rechnet in der Zukunft mit enormen Folgekosten. „Wenn die Möglichkeiten der Freizeitbetreuung durch die Jugendheime wegfällt, kommt die Einzelfallhilfe auf uns zu.“

Es dürfte wohl wieder mal an falscher Stelle gespart werden. Kriminell gewordene Jugendliche sind bekanntlich teuer.