Öfter in die Reinigung

Zwei Wochen komplett ohne feste Nahrung? Fasten hört sich für viele nach Leiden an, tatsächlich ist es gesund für den Körper und verschafft unerwartete Glücksgefühle und Optimismus

von LENA GORELIK

Hunger, Hunger, Hunger. So stellen sich viele Menschen Fasten vor. Die andere Fraktion, zu der die bereits Fasten-Erfahrenen gehören, spricht dagegen überzeugt von Reinigung, ungeahnten Kräften und Neuanfang. Einsteiger, die diese Erlebnisberichte neugierig machen, müssen beim Heilfasten vieles beachten.

„Fasten ist eine normale Fähigkeit des Menschen“, sagt Françoise Wilhelmi de Toledo, Vorstandsvorsitzende der Ärztegesellschaft Heilfasten und Ernährung. Hunger habe man höchstens in den ersten zwei Tagen, dann stelle sich der Körper auf die andere Ernährungsart ein. Beim Fasten nährt sich der Körper nämlich aus dem Fettgewebe: „Die Zellen essen genauso viel wie sonst auch immer“, erklärt Wilhelmi de Toledo. „Nach ein paar Tagen stellen sich ein unverständliches Glücksgefühl und Optimismus ein, man spürt Energie und Vitalität.“

Heilfasten, das meist unter ärztlicher Aufsicht geschieht und zwei bis drei Wochen dauert, darf jeder. Wichtig sei, dass man sich aufs Fasten vorbereitet und es plant. „Fasten ist kein Spaziergang, sondern eine mittelschwere Bergwanderung“, warnt die Ärztin. Man müsse sich Zeit nehmen, sich viel bewegen, Einläufe machen. Jeden Tag ist ein Viertel Liter Obstsaft, ein Viertel Liter Gemüsebrühe und ein wenig Honig – wegen der Kohlenhydrate – erlaubt und sehr viel Wasser vorgeschrieben. Nach dem Fasten ist der langsame Übergang zum normalen Essen wichtig. „Man muss auf Hunger und Sättigung achten. Nach dem Fasten schmeckt ja auch schon ein Stückchen Apfel grandios.“

„Die meisten, die einmal gefastet haben, kommen nochmal“, weiß Wilhelmi de Toledo durch ihre Arbeit in einer Fastenklinik. Auf etwa 100.000 im Jahr schätzt sie die Zahl der deutschen Fastenden. Etwa die Hälfte davon faste in Kliniken: „Ein Drittel der Patienten hat Stoffwechselprobleme, ein Drittel leidet an chronischen Krankheiten wie Migräne oder Allergien, und ein Drittel möchte einfach eine Pause einlegen und Kraft tanken.“

Fasten gehört zu den ältesten und natürlichsten Naturheilverfahren. Bereits im alten Rom wurde gefastet, in der Tierwelt wird bei Krankheit auf das Essen verzichtet. Auch drei Weltreligionen kennen die Nahrungsenthaltung: Bei den Katholiken fängt gerade die Fastenzeit an. 40 Tage lang sollen Christen in Vorbereitung auf Ostern und als Erinnerung an die Zeit, die Jesus in der Wüste verbrachte, auf einen Teil ihrer alltäglichen Kost verzichten, beispielsweise auf Süßigkeiten. Im Islam wird im neunten Monat, im Ramadan, von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang nichts gegessen und getrunken, um Geduld zu üben und sich auf Allah zu besinnen. Nachdem die Sonne untergegangen ist, wird der Tisch um so üppiger gedeckt. Im Judentum gibt es einmal im Jahr einen großen Fastentag, den Versöhnungstag Jom Kippur. An diesem Tag isst und trinkt man nicht, geht nicht zur Arbeit.

Und schon Ghandi sagte: „Ich kann auf Fastenzeiten ebenso wenig verzichten wie auf meine Augen. Was die Augen für die äußere Welt sind, ist das Fasten für die innere.“