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: Voll auf Sendung: Benno Blomes Sender-Records feiert knarzend Jubiläum

Von den schönen Namen, die den unterschiedlichen Spielarten von Techno im Laufe der Zeit gegeben wurden, ist Knarztechno einer der schönsten. Wie so oft bei elektronischer Musik ist es ein bestimmter signifikanter Sound in den Tracks, den der Name beschreiben soll: Wenn es sägt, ist es Sägezahn, wenn es schaffelt, Schaffeltechno, und wenn es im minimalen Arrangement ordentlich knarrt, die Sounds aneinander zerren und der Bass unnachgiebig voranschleift, dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass man es mit Knarztechno zu tun hat.

Eine der ersten Adressen in Deutschland, wenn es um staubtrockene, knurrige Technotracks geht, ist Benno Blomes Berliner Label Sender Records. Gegründet vor fünf Jahren in Köln – die Rheinmetropole gilt dank Leuten wie Wolfgang Voigt vom Kölner Label „Kompakt“ als Geburtsort des Knarztechno – zog er kurz darauf samt Label nach Berlin, wo der Fernsehturm am Alex sein Kölner Äquivalent als Logo ablöste. Der Sound blieb derselbe: minimal und knarzig.

Über die Jahre hat Benno Blome ein sehr feines Gespür für das richtige Signing zur richtigen Zeit bewiesen. T.Raumschmiere, der mit seinem Debütalbum auf Novamute und seinen intensiven Liveshows im letzten Jahr endgültig vom Geheimtipp zum musikalischen Aufmerksamkeitsmagneten avancierte, hatte seinen ersten großen Hit „Himmel über Berlin“ auf Sender. Genauso wie der Kanadier Jake Fairley, der ähnlich wie T.Raumschmiere Punkrock nicht nur als ideelles Bezugssystem in seine Technostücke integriert hat und schon mal so weit geht, Klassiker von The Stooges einer technoiden Überarbeitung zu unterziehen. Fairley erfindet dabei immer wieder eine Grauzone zwischen Rock und Techno, die sich letztlich keinem Genre beugt, aber beide konsequent fortschreibt – ganz zur Begeisterung der anscheinend stetig wachsenden Zahl der Luftgitarrenfreunde auf hiesigen Dancefloors. Aber auch Blomes eigene Produktionen, die er zusammen mit den Sender-Künstlern Konkord (als WeltZwei) und Peter Grummich (als Blome & Grummich) veröffentlicht hat, sind verlässliche Partner für eine lange, durchtanzte Nacht.

Auf der neuen Labelcompilation „Receiving data … ah, it’s coming“, die jetzt anlässlich des dreißigsten Releases von Sender veröffentlicht wird, hat sich die ganze Sender-Familie wieder nach Herzenslust ausgetobt. Dreizehn Stücke ebenso sperriger und unterkühlter wie treibender Technominimalismus: da braten die Sequenzen, zischeln die Hi-Hats und verdampfen die Melodien auf kristallinen Sounds. Aber bei aller soundtechnischen Homogenität, die Sender-Platten immer ausgezeichnet hat, und bei allem Popappeal, den die knarzende Rotzigkeit der Stücke immer auch verströmten, nie waren sie so kompatibel für den Heimgebrauch wie hier. Einige Tracks wirken introvertiert und lassen zwischen all den Störgeräuschen viel Platz für schüchternes, in sich versunkenes Treiben. Die Ausnahme macht Labelchef Blome selbst. Zusammen mit Peter Grummich feiert er auf „Strahler“ noch einmal die knarzende Sequenz und den Zustand, in dem man dann doch eher ungern zu Hause sein mag: voll auf Sendung. SVEN VON THÜLEN

„Receiving data …“ (Sender Rec.)