Viele Unterschriften – wenig Gewicht

Bei der Volksinitiative „Jugend braucht Zukunft“ sind fast drei Mal so viele Stimmen zusammengekommen wie nötig

DÜSSELDORF taz ■ 174.553 Unterschriften haben die Organisatoren der NRW-Volksinitiative „Jugend braucht Zukunft“ in den letzten zwei Monaten gesammelt. Das vorläufige Ergebnis verkündete NRW-Innenminister Fritz Behrens (SPD) am Mittwoch der Öffentlichkeit. „Das Instrument der Volksinitiative stößt bei den Menschen auf Zustimmung“, stellt er fest.

Das Quorum von 1,32 Prozent aller Stimmberechtigten übersteigt fast drei Mal die Zahl, die den Landtag dazu verpflichtet, sich mit der Absicherung der Kinder- und Jugendarbeit zu befassen. Unabhängig von der Volksinitiative hat jedoch der Landtag in seiner dritten Lesung den Landesjugendplan von 96,5 Millionen im Jahre 2003 auf 79 Millionen Euro für das laufende Jahr heruntergekürzt. Für das Jahr 2005 sind weitere fünf Prozent Streichung des Etats für Kinder und Jugendliche geplant.

„Die Unterschriften sind groß in der Zahl, aber gering im Gewicht“, sagt Daniel Schily von „Mehr Demokratie“. Die Amtseintragung gebe der Volksinitiative ein Anstrich von Wichtigkeit, die ihr tatsächlich nicht zukomme. Außerdem sei das Verfahren viel zu umständlich und teuer gewesen. „Nur in NRW, werden die Bürger auf die Ämter geschickt, um ihre Unterschriften abzugeben“, so Daniel Schily. „Mehr Demokratie“ fordert eine Entbürokratisierung der Volksinitiative in NRW.

Der Forderung von freien Unterschriftenlisten schließen sich auch die Initiatoren der Bürgerbewegung, die Arbeitsgemeinschaft der offenen Türen in NRW (AGOT) an. Aber diese lassen sich die Freude über das Ergebnis der Volksinitiative nicht nehmen: „Das hat unsere kühnsten Träume überstiegen“, so Norbert Kozicki von dem sozialistischen Jugend- und Bildungsverband „Die Falken“. Durch die Volksinitiative sei eine sinnvolle gesellschaftliche Diskussion losgetreten worden und durch den Druck hätte die Regierung bereits im Vorhinein ihre geplanten drastischen Kürzungen um einiges zurückgenommen. Außerdem, verrät Kozicki, habe AGOT eine Einladung von der Jugendministerin Ute Schäfer (SPD) erhalten. „Sie will sich mit uns über die Absicherung der Kinder- und Jugendarbeit unterhalten“, freut er sich.

Die kinder- und jugendpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Landtag, Ute Koczy, dämpft die Freude der Volksinitiatoren: „Für eine gesetzliche Absicherung der Kinder- und Jugendarbeit müssen die Kommunen mit ins Boot“, sagt sie gegenüber der taz. Und außerdem garantiere ein Gesetz nicht den Schutz vor Kürzungen. Thomas Mahlberg, Sprecher der CDU-Fraktion, schlägt Zielvereinbarungen vor, allerdings auf dem Niveau des Etats von 2003: „Wir haben einen Antrag auf vollständige Rücknahme der Kürzungen gestellt.“ NATALIE WIESMANN