„Rabenmutter“ verliert Sorgerecht

Eine Mutter wird wegen Vernachlässigung ihrer vier Kinder zu einer Bewährungsstrafe verurteilt

Der Fall der vier Kinder von 8 bis 11 Jahren, die über Monate in einer verwahrlosten Wohnung in Prenzlauer Berg für sich selbst sorgen mussten, ging bundesweit durch die Presse. Zu lesen war hauptsächlich von der Mutter Gabriele B.: Die 47-Jährige habe nur noch bei ihrem neuen Freund gelebt, nur ab und zu Geld vorbeigebracht. Ein Blog namens „Strafprozess“ titelte von der „Rabenmutter“. Nun sitzt die Angeklagte im Amtsgericht Tiergarten. Die arbeitslose Erzieherin trägt einen Rock über der hellen Jeans, gemusterte Baumwollsocken in Sandalen und eine runde John-Lennon-Brille. Mit bleichem Gesicht und zitternder Stimme sucht sie nach Worten, die ihre Situation verständlich, zumindest nachvollziehbar machen sollen. Sie soll eine Rabenmutter sein?

Der Angeklagten wird vorgeworfen, von September 2006 bis April 2007 ihre Fürsorge- und Erziehungspflicht verletzt zu haben. In diesem Zeitraum hätten ihre zwei Söhne und zwei Töchter allein in einer Wohnung in der Schönhauser Allee gelebt, so die Anklage. Der älteste Sohn habe sich weitgehend allein um seine jüngeren Geschwister kümmern müssen. Tatsächlich flog die Sache erst auf, als der Älteste vor seiner Klassenlehrerin weinend zusammenbrach und gestand, dass er mit der Situation völlig überfordert sei. Die Kinder kamen daraufhin in Obhut des Jugendheims, die Mutter im Oktober in U-Haft.

Gleich zu Beginn des Prozesses gibt sich Gabriele B. umfassend geständig. Die starke Vernachlässigung ist auch nicht von der Hand zu weisen: Der Richter zeigt sich beeindruckt von den Bildern der verwahrlosten Wohnung, der verdreckten Toilette, dem wenigen verschimmelten Essen im Kühlschrank. Die Anklägerin macht der Mutter den Vorwurf der „konkreten und gröblichsten Gefährdung des Kindeswohls“.

Im Prozess schildert Gabriele B. ihre Version der Umstände: Nach der Geburt der Kinder von ihrem Freund verlassen, musste sie sich ausschließlich um die Kinder kümmern, sie führten ein geregeltes, aber armes Familienleben. Sie habe kaum Freunde gehabt. Als sie mit ihrem neuen Freund endlich eine neue Bezugsperson hatte, seien die Kinder teilweise auch zu ihnen zum Essen gekommen. Auch Geburtstage und Weihnachten hätte sie mit ihren Kindern gefeiert.

Am Ende weint die Angeklagte. Sie wolle sich bei ihren Kindern entschuldigen, hoffe, sie bald „zurückzubekommen“. Das Urteil: 1 Jahr und 9 Monate auf Bewährung sowie 100 Stunden gemeinnützige Arbeit. Außerdem wird ihr das Sorgerecht für die Kinder entzogen.

MORITZ DRUNG