Karadžić’ Stellvertreter auf der Anklagebank

Der bosnisch-serbische Politiker Momčilo Krajišnik muss sich seit gestern vor dem Haager UN-Tribunal verantworten

BERLIN taz ■ Der graue Haarschopf ist sein Markenzeichen. Wenn der bosnische Serbe Momčilo Krajišnik kurz nach dem Krieg in Bosnien und Herzegovina vor die internationale Presse trat, gab er sich zurückhaltend und korrekt. Dabei wusste schon damals jeder, dass der zweite Mann hinter Radovan Karadžić zu den gefährlichsten, kompromisslosesten, „rassistischen Extremisten“ gehörte, wie sich einmal der UN-Botschafter in Bosnien, Jacques Klein, ausdrückte. Gestern begann der Prozess gegen Momčilo Krajišnik vor dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag. Der 59-Jährige muss sich wegen Völkermordes, Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen verantworten.

Als Wirtschaftsfachmann war Krajišnik Mitte der Achtzigerjahre in das Direktorium des bosnischen Mischkonzerns „Energoinvest“ aufgenommen, der unter anderem Turbinen für Wasserkraftwerke herstellte und Teile für russische Atomkraftwerke lieferte. Als Ende der Achtzigerjahre die Einparteienherrschaft der Kommunisten bröckelte, gehörte Krajišnik zu den Gründern der „Serbischen Demokratischen Partei“ des – noch flüchtigen– Radovan Karadžić, bis heute die größte Serbenpartei in Bosnien und Herzegowina. Nach den Wahlen von 1990, als die Nationalparteien der Muslime, Serben und Kroaten die Mehrheit eroberten, wurde er zum Parlamentssprecher gewählt. Und gehörte fortan zur Führungsriege der serbischen Extremisten.

Laut Anklage trat er für die Vertreibung aller Nichtserben aus den von den Serben eroberten Gebieten ein, er soll mitverantwortlich für den Aufbau von Konzentrationslagern und Morde an tausenden von Muslimen und Kroaten sein. Bei den Friedensverhandlungen 1995 versuchte er das Dayton-Abkommen zu blockieren – vergeblich.

Bei den ersten Nachkriegswahlen 1996 wurde er als Vertreter der Serben ins Staatspräsidium gewählt. Bald begann sein Abstieg. Parteifreundin und Präsidentin Biljana Plavšić stürzte kurz darauf Karadžić und die alte SDS-Riege und versuchte, die hinter Karadžić und Krajišnik stehenden Kriminellen loszuwerden, die den Polizei- und Machtapparat beherrschten.

Als am 4. April 2000 ein Spezialkommando der SFOR Krajišnik in Pale verhaftete, erhob sich kein Widerstand. Der Prozess wird in Bosnien großes Aufsehen erregen – das Fernsehen wird ihn direkt übertragen.

ERICH RATHFELDER