Sammler und Laufburschen

Londoner Schnäppchenmarkt für Kunstanleger: Darf’s ein Damien Hirst oder Peter Doig für 40 Pfund sein?

Wer sich zum Lottospielen noch immer zu fein ist und um Auktionen spätestens seit den New-York-Ernüchterungen endgültig einen extragroßen Bogen macht, der sollte nächste Woche heißen Tee mitnehmen und sich in die Warteschlange vor die Londoner Royal College of Art stellen.

Denn hier verfährt man nun schon seit 1994 einmal im Jahr nach einem ganz und gar demokratischen Glückssystem: Zum Verkauf ausgestellt werden 2.700 gestaltete Postkarten von über tausend Künstlern, der Großteil von ihnen Studierende und Ehemalige des Colleges, doch eben auch ein paar Stars aus dem internationalen Kunstzirkus. Eine Karte kostet 40 Pfund, man darf maximal vier erwerben, und damit die ganze Veranstaltung ihre legendäre Spannung behält, trägt keine einzige Arbeit ein Namensschild.

Seit gestern ausgestellt werden Aquarelle, jede Menge Porträts oder Skizzen, für die man am Verkaufstag in einer Woche nach dem Warteschlangenprinzip über mehre Stunden ansteht. Und ob es dann tatsächlich ein Hirst ist, den man sich da ausgesucht hat, oder eher das Werk eines talentierten Kunststudenten, der einfach nur Totenköpfe mag, erfährt man erst nach dem Kauf der Arbeit. In diesem Jahr konnte das College Stars wie Tracey Emin, Douglas Gordon oder Grayson Perry überreden, immerhin fließen die Einnahmen in die Unterstützung der RCA-Studenten. Ob es der teilnehmenden Kunstprominenz gefällt, dass die Schau, die einmal auf Spaßbasis begann, längst eher zum Schnäppchenmarkt für Kunstanleger geworden ist, wagt man zu bezweifeln. Galeristen und Sammler stellen ihre Laufburschen in die Warteschlangen, bis zu zwei Wochen vorher haben schon Leute vor dem College ihre Zelte aufgeschlagen. Der eigentliche Spaß am bewussten Schauen auf die demokratisch zusammengewürfelten Werke von No-Names und Superstars ist längst dem Spaß an den fast unanständigen Gewinnsprüngen gewichen, die man hier mit viel Glück erzielen kann: Im vergangenen Jahr verkaufte Sotheby’s eine vier Jahre alte Totenkopfzeichnung von Damien Hirst für 15.600 Pfund, ein Peter-Doig-Postkartenwerk von 2000 landete sogar für unfassbare 42.000 Pfund unter dem Hammer.

Noch die ganze kommende Woche können Besucher in der Ausstellung spitzfindig nach speziellen Schraffurtechniken oder Pinselstrichen der teilnehmenden Stars spüren, ein wenig wie Fans von Überraschungseiern an der Supermarktkasse. Obama-Zeichnungen hängen übrigens gleich sechs in der Ausstellung, vielleicht eine erste Vorahnung darauf, wie inflationär der neue US-Präsident in Zukunft noch verarbeitet wird. Ob hinter einem der grinsenden Obamas nun Yoko Ono oder Tracey Emin steckt und man sich davon eines Tages einen schicken Kleinwagen leisten kann, erfahren die Käufer dann am kommenden Samstag. JULIA GROSSE

RCA Secret, Ausstellung bis 21. November, Verkauf am 22. November