Ehe in der Krise

Wenn nichts mehr geht, geht’s ins Frauenhaus: Die Österreicherin Nina Kusturica bietet „Auswege“ im Forum

Claudia wird von ihrem Mann geschlagen, aber diesmal fordert sie eine Kontaktsperre. Doch schon bald kratzt Werner wieder an der Tür, verspricht, sich zu ändern, und der Terror geht von vorne los. Auch Dragan kann zwischen Zärtlichkeit und Aggression keine Grenze ziehen. Sladjana ist Opfer seiner ständigen Eifersuchtsanfälle. Nach einem Arztbesuch – sie hat sich allein ins Behandlungszimmer gewagt – kommt es zu einem heftigen Ausraster: Er schließt seine Frau in der Wohnung ein und entführt die Kinder nach Bosnien.

Margit sieht ihrer silbernen Hochzeit mit gemischten Gefühlen entgegen. Ihr Mann ist Lehrer, aber vor allem ist er selbstgefällig und sarkastisch. Sie versucht es mit mal esoterischen, mal bildungsbürgerlichen Hobbys, doch was immer sie tut: Hans hat nur Häme und Herablassung für sie übrig.

„Auswege“, Nina Kusturicas Spielfilmdebüt, verbindet die Erzählstränge zum Bild einer Institution in der Krise. Es sind die Frauen, die von ihren Partnern von Energien und Möglichkeiten abgeschnitten werden. Aber allzu scharf zieht Kusturica die Linien auch wieder nicht. Wenn das Bedürfnis nach partnerschaftlicher Gemütlichkeit in ein beklemmendes Gewaltverhältnis umschlägt, dann sind daran oft beide Seiten beteiligt.

Es ist geheimnisvoll, warum es einigen österreichischen Filmen der letzten Zeit so gut gelingt, selbst harte soziale Daten auf eine so entspannte Art zu inszenieren. In „Auswege“ ist schon die Handschrift ein Teil der Erklärung: Das Drehbuch wurde von Barbara Albert geschrieben, die sich – wie bereits in ihren eigenen Filmen „Nordrand“ und „Böse Zellen“ – als Spezialistin für soziale Verhältnisse bewährt, die längst aus den Fugen geraten sind.

Bei aller Ambivalenz und Kunstfertigkeit wird in „Auswege“ eines klar: Wirtschaftliche Abhängigkeit ist die schlechteste Basis für eine Beziehung. Und: In der Not hilft dir das Frauenhaus. So ist Kusturicas Film ein Beispiel für eindrucksvollen sozialen Realismus. und steht durchaus in einer Linie mit kommunistischen deutschen Filmen der frühen Dreißigerjahre. Damals waren es KPD-nahe Unternehmen, die Filme zu sozialen Fragen herstellten, an denen die Industrie sonst kein Interesse hatte. Heute treten andere Initiatoren auf: In diesem Fall der Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser. Eine Idee, von der sich deutsche Gewerkschaften eine Scheibe abschneiden könnten.

MANFRED HERMES

Freitag, 13.45 Uhr, Delphi. Samstag 20.15 Uhr, Babylon