nebensachen aus wien
: wiens grafiksammlung ist berühmt, weil sie hat, nicht weil sie zeigt

Die Albertina erlaubt einen kurzen Blick auf Dürers Feldhasen

Wenn der Frühling kommt, dann blühen allerorten in Wien die Baustellen auf. Eine der bedeutendsten Baustellen hat allerdings nichts mit den milden Temperaturen zu tun, denn sie ziert das Stadtbild schon seit mehreren Jahren und wird, wenn alles gut geht, im Herbst ganz verschwinden. Es handelt sich um die weltberühmte Albertina, die größte Grafiksammlung der Erde.

Als sie am 14. März feierlich wiedereröffnet wurde, da hämmerten und malten die Handwerker noch außen und innen. Das umstrittene Flugdach aus Titan, das der Architekt Hollein dem Eingangsportal des klassizistischen Palais verpassen will, wird erst in einem halben Jahr montiert. Am Eröffnungstag drängten tausende Schaulustige in die renovierten Hallen. Jahrzehntelang hatte die Albertina einen Dornröschenschlaf gelegen. Eine permanente Schausammlung hat sie nie gehabt. Nur gelegentlich wurden für eine Ausstellung die wertvollen Blätter aus dem Speicher geholt.

Selbst kunstinteressierte Wiener haben den weltberühmten Feldhasen von Albrecht Dürer aus dem Jahr 1502, eines der Prunkstücke der Sammlung, nie zu Gesicht bekommen. Unter rund einer Million Grafiken, die derzeit in den Kellern der Nationalbibliothek schlummern, finden sich einige der besten Arbeiten von Leonardo, Raffael, Rembrandt, Klimt und Schiele. Die Albertina ist berühmt, weil sie sie hat, nicht weil sie sie zeigt.

Dazu kommt, dass der Haupteingang nach einem Bombentreffer im März 1945 nicht restauriert wurde und man das Gebäude seither durch den Keller betreten musste. Das Gebäude, einst von Herzog Albert von Sachsen-Teschen für seine Privatsammlung adaptiert, wirkte grau und heruntergekommen. Vor zehn Jahren beschloss die Regierung, das Haus generalzusanieren. Mit dem ehrgeizigen Kunstmanager Klaus Albrecht Schröder fand man einen Mann mit unbestrittenem Hang zur großen Geste, für den die Wiederauferstehung imperialen Prunks die geeignete Herausforderung war. Da war nichts zu exklusiv oder teuer. Die seidenen Wandbespannungen wurden nach dem Originalmuster bei Rubelli in Venedig nachgewebt, schwarzer Marmor aus China und grüner Marmor aus Anatolien wurden verlegt, 20 Kilometer Goldleisten ersetzt.

Für den Tiefenspeicher, wo die Sammlung für die nächsten Jahrhunderte konserviert werden soll, war dann kein Geld mehr da. So wie derzeit in Österreich gespart wird, kann es noch Jahre dauern, bis dessen Ausbau ermöglicht wird. Und wer gehofft hatte, die Schätze der Albertina würden künftig vermehrt ausgestellt, wurde von Direktor Schröder enttäuscht. Wenn jemand Dürers Feldhasen sehen will, „dann kann er das heuer vom 4. September bis 30. November. Er sieht ihn nicht vorher, er sieht ihn nicht nachher.“ RALF LEONHARD