Gewalt ist eine Körpersprache

Kim Ki-duk schneidet derzeit seinen neuen Film in Hamburg und ist in der Reihe „Film im Gespräch“ zu Gast. Ein Interview mit dem koreanischen Regisseur über die Rolle der Malerei in seinen Filmen, über Gewalt und das Verhältnis der Geschlechter

Interview: VOLKER HUMMEL

Kim Ki-Duk ist neben Jang Sun-Woo der wohl bekannteste und zugleich radikalste Regisseur des zeitgenössischen koreanischen Kinos. Seine äußerst körperlichen Filme wie The Isle (2000), Address Unknown (2001) und zuletzt Bad Guy (2001) widmen sich den Konflikten innerhalb der koreanischen Gesellschaft, allen voran dem Kampf der Geschlechter. Derzeit weilt er in Hamburg und schneidet sein neues Werk, die koreanisch/deutsche Koproduktion Spring, Summer, Fall, Winter and Spring.

taz hamburg: Herr Kim, Sie haben einmal gesagt, Hass sei der Ausgangspunkt für alle Ihre Filme. Von welchem Zorn ist Ihr neuer Film Bad Guy angetrieben?

Kim Ki-Duk: Ich habe den Begriff „Hass“ in einem größeren Zusammenhang benutzt. Ich habe nicht von einem bestimmten Hass gesprochen, der sich gegen eine bestimmte Sache oder Person richtet. Es ist eher das Gefühl, das mich überkommt, wenn ich Dinge sehe, die ich nicht verstehe. Darum mache ich Filme: Ich sehe etwas, das ich nicht verstehe, und drehe einen Film als Versuch, es zu begreifen.

Was wollten sie mit Bad Guy über die Welt herausfinden?

Ich fragte mich, weshalb wir bei der Geburt zwar alle gleich sind, mit den gleichen Rechten und den gleichen Qualitäten, aber wenn wir dann älter werden nach unserem Aussehen und unserer Erscheinung beurteilt werden. Gemäß von Standards, die uns nach der Geburt aufgezwungen werden, teilt man uns in Schichten und soziale Klassen ein. Mich interessierte, ob es für diese Klassen tatsächlich unmöglich ist, sich zu vertragen, ob ihre Welten wirklich nicht verschmelzen können.

Die Hauptfigur von Bad Guy, der Zuhälter Hang-Ki, ist wie die meisten Ihrer Figuren unfähig zur Kommunikation, Gewalt scheint seine einzige Sprache zu sein. Wieso dieses Schweigen?

Wenn Menschen in meinen Filmen nicht sprechen, dann, weil sie tiefe Wunden in sich tragen. Ihr Vertrauen in andere Menschen ist zerstört, weil Versprechen nicht gehalten wurden. Die Gewalt, derer sie sich bedienen, verstehe ich als Körpersprache.

Bevor Sie Filme gemacht haben, waren Sie Maler. Besonders Ihr Film The Isle scheint weniger narrativ, als eher mit surrealer Metaphorik verbunden zu sein. In Bad Guy spielen die Bilder von Egon Schiele eine große Rolle.

Ich habe seine Bilder für Bad Guy gewählt, weil sie auf den ersten Blick vulgär aussehen und scheinbar obszöne Motive darstellen. Aber wenn man sie sich genau anschaut, sind sie sehr ehrlich. Es sind Bilder von Leuten, die im Verlangen aufgehen.

Schiele hat häufig so genannte gefallene Frauen gemalt, ähnlich den weiblichen Figuren in The Isle, Address Unknown und Bad Guy. Was fasziniert Sie daran?

Ich sehe Frauen auf einer höheren Ebene als Männer. Sie haben etwas zu bieten, das die Männer brauchen, wofür sie sogar zu zahlen bereit sind. Die meisten Leute werden anderer Meinung sein, aber so wie ich es sehe, ist das Verhältnis zwischen Frauen und Männern immer eine Art von Prostitution. Die Schwierigkeiten zwischen Männern und Frauen erzeugen die Energie, die die Welt am Laufen hält. Es ist ein universaler Konflikt, aber auf eine Weise spiegelt er auch kulturelle Differenzen. In Europa herrscht seit einiger Zeit Stabilität, und es gab wenig Probleme zwischen den Geschlechtern. Die europäischen Filme spiegeln diesen Status quo wieder, sie sind eher zurückhaltend. Asiatische Filme sind viel impulsiver und gewalttätiger, weil der Konflikt zwischen Männlich und Weiblich noch sehr stark ist.

Haben Sie mit Bad Guy auch den Zorn von Feministinnen auf sich gezogen?

Ja, definitiv. 90 Prozent der weiblichen Kritiker haben den Film verrissen. Aber das Publikum des Films bestand zu 80 Prozent aus Frauen. Das normale Publikum ist sehr empfänglich für den Film, es versteht ihn. Wenn Sie es so sehen, dass Kim Ki-Duk das Unglück der Frau, über die er erzählt, erschafft, ist das sehr gefährlich. Aber wenn Sie den Film als Schilderung eines Problems sehen, das bereits in der Gesellschaft existiert, können Sie Bad Guy nicht wirklich hassen.

Bad Guy war Ihr erster Film, der an den koreanischen Kinokassen Erfolg hatte. Was ist schief gelaufen?

Das liegt am Hauptdarsteller Cho Jae-Hyun, der Hang-Ki spielt. Er ist plötzlich berühmt geworden, weil er in einer Fernsehserie spielte, die sehr populär geworden ist. Es ist also nicht allein meine Schuld.

The Isle: Mi, 18 Uhr, anschl. Gespräch mit Kim Ki-Duk; Bad Guy (mit Einführung des Regisseurs): Mi, 20.45, Abaton