Beim Putzen behält sie das Kopftuch auf

Mit der Forderung nach eben diesem Recht interveniert die Gesellschaft für Legalisierung im Kunstraum auf der Veddel

Wurde die Veddel bislang als gefährlicher Ort hervorgehoben, wird sie nun vermehrt als citynaher Stadtteil der Zukunft beschrieben

Auf der Veddel gibt es seit Anfang des Monats eine Dependance der Gesellschaft für Legalisierung. Sie wird dort in den nächsten vier Wochen Bilder und Videos zeigen, Aktionen organisieren, ein mobiles Radiostudio aufbauen und mit lokalen Gruppen und AkteurInnen ins Gespräch kommen. Die Gesellschaft mobilisiert für den Kampf um Rechte und setzt da an, wo sich MigrantInnen diese bereits im Alltag nehmen.

Die Veddel war in den letzten Monaten im Blickpunkt skandalisierender Berichterstattung über die angeblichen Integrationsdefizite von MigrantInnen in Hamburg. Eine mittlerweile notorische Fernsehreportage des NDR trat unzählige weitere Sendungen, Zeitungsberichte und Talkrunden los. Tenor: die MigrantInnen machen Probleme, tragen Kopftücher, sprechen nicht ordentlich deutsch und verweigern ihren Töchtern die Teilnahme am Schwimmunterricht. In dieser Situation eignet sich die Gesellschaft für Legalisierung einen leerstehenden Ladenraum an, der an Künstler vergeben wird.

Dem Entschluss der Gesellschaft für Legalisierung, sich dort zu Wort zu melden, geht eine Zeit der Vernetzung und der Recherche voraus, in der das Viertel immer wieder eine Rolle spielte. Es gab Fälle von Lohnbetrug an illegalisierten Hafenarbeitern und Razzien gegen ecuadorianische Hausarbeiterinnen und ihre Familien. Dann begann die allmähliche Verschiebung des Ghettodiskurses: Wurde die Veddel davor als gefährlicher Ort hervorgehoben, wird sie nun vermehrt als citynaher Stadtteil der Zukunft beschrieben. Die Regierung verkündete, auf der Veddel Wohnraum für StudentInnen subventionieren zu wollen, weil sie sich davon eine “schrittweise Normalisierung der Bevölkerungsstruktur“ verspricht.

„Wessen Normalität?“, fragt in dieser Situation die Gesellschaft für Legalisierung. „Über sechzig Prozent der Leute auf der Veddel haben keinen deutschen Pass und nehmen sich längst das Recht, hier zu leben, zu wohnen, zu arbeiten, ein Kopftuch zu tragen oder auch nicht, wenn sie wollen.“ Die Gesellschaft will aus dieser Perspektive Alltagskämpfe von MigrantInnen mit oder ohne Papiere aufeinander beziehen.

In Hamburg laufen derzeit drei historische Ausstellungen über Migration. Auch die Veddel wird hier thematisiert. Die Geschichtswerkstatt Wilhelmsburg konfrontiert Zeugnisse der Amerikaauswanderung mit Interviews von MigrantInnen, die heute auf der Veddel leben. Im Museum der Arbeit findet eine späte Anerkennung der Geschichte und alltäglichen Gegenwart von Migration in Hamburg statt. Die Ausstellungen greifen jedoch nicht offensiv in den derzeitigen Diskurs über Migration ein: Um die Logik der Integration zu unterlaufen, affirmieren die Stichworte „Fort.schritt“, “Neu.land“, „Heim.weh“, „Sprach.los“ wie in der Wilhelmsburger Ausstellung die Defizite, die mit MigrantInnen identifiziert werden statt mit den Gesetzen und rassistischen Verhältnissen in diesem Land. Die Bedingungen, unter denen Migration konkret stattfindet, bleiben unbenannt.

Um das Anliegen einer anderen Beschreibung der Gegenwart umzusetzen, benutzt die Gesellschaft für Legalisierung in ihrer Arbeit eher popkulturelle Formate. Als sie sich im November letztes Jahr in Hamburg vorstellte, präsentierte sie Legalisierungsstrategien in einer Bühnenshow. Eine Frau hatte ein Tuch um den Kopf gebunden. Sie sagte: „Wenn ich die Schule putze, darf ich das Kopftuch anbehalten.“ Dieser Spruch tauchte auf der Eingangstür des Veddeler Kunstraums wieder auf.

Anders als von den GesellschafterInnen erwartet, fühlten sich viele BewohnerInnen des Stadtteils provoziert. Sie erwarteten von den neuen Nachbarn zunächst nichts Gutes. Die Leute haben die Nase voll, dass über sie gesprochen wird. Die Gesellschaft spricht erst mal über sich selbst: „Integration ist Erpressung. Wir fordern: Recht auf Mobilität, Recht auf Aufenthalt, Recht auf Legalisierung!“ Die Tür wird jede Woche neu beklebt.

Efthimia Panagiotidis und

Astrid Kusser, kanak attak

Gesellschaft für Legalisierung, Slomannstrasse 62a, kontakt: info@rechtauflegalisierung.de und Donnerstag bis Samstag von 17 bis 22 Uhr. Veranstaltungstermine siehe www.rechtauflegalisierung.de. Passagiere und Passanten, Honigfabrik, Industriestrasse 125, Dienstag bis Freitag 10 - 17 Uhr, Donnerstag 10 bis 20 Uhr