Richter Gnadenlos der Linken

Konkret-Herausgeber Hermann L. Gremliza las im „Toten Salon“ im Schlachthof vor ausverkauftem Haus

taz ■ Der Herausgeber der Zeitschrift Konkret, Hermann L. Gremliza, las am Freitagabend im „Toten Salon“. Zur Erinnerung: Konkret gibt es für Menschen, die Demo-Sprüche über Kontakte von George W. Bush zur Erdöl-Mafia nicht für ausreichend systemkritisch halten. Außerdem gibt es Konkret natürlich, weil es Hermann L. Gremliza gibt.

Seit der ehemalige Spiegel-Redakteur 1974 den Zeitschriftentitel aus der Konkursmasse der alten Konkret kaufte, erlegt er in seinem Blatt führende Persönlichkeiten aus Politik und Kultur mit der scharfen Waffe der Sprachkritik. Und weil die Macher der Zeitschrift, namentlich der Herausgeber, immer unerbittlich mit der Linken ins Gericht gehen, gibt es, wenn es um Konkret geht, nur Fans und Feinde – nichts dazwischen.

Das Publikum am Freitag gehörte eindeutig zur ersten Gruppe. Die Karten waren in 30 Minuten ausverkauft. Gremliza las aus seinen kommentierten Stilblüten aus dem gesamten Medienspektrum und äußerte Hoffnung, dass die „Halbsudanesin“ Naddel (BILD) auf einer Abendschule ihren „Vollsudanesen“ macht. taz-Autor Gerhard Henschel gewährte mittels eines Lichtprojektors Einblicke in die „wirrsten Graphiken der Welt“ und Rayk Wieland, ebenfalls taz-Autor, legte als DJ die Stücke der „Kreuzberger Nasenflötenkappelle“ auf. Schröder und Bohlen, Fischer und Ströbele, Harald Schmidt und Alice Schwarzer, Gräfin Dönhoff und Naddel – der „Richter Gnadenlos“ der deutschen Journaille knüpfte sie sich alle vor, hämisch grinsend las er alte und neue Sprachkritiken, das Publikum bog sich vor Lachen.

Zu einem zünftigen Streit mit dem Publikum, wie bei dem letzten Bremer Auftritt Gremlizas vor zwei Jahren, kam es nicht. Die andere Fraktion blieb wohl der Veranstaltung fern.

Ewgeniy Kasakow