BUSH BESUCHT NORDIRLAND: FOLGENLOS FÜR DORTIGEN FRIEDENSPROZESS
: Feigenblatt für die US-Politik

Was Propagandaübungen angeht, so gehört George W. Bushs Stippvisite in Nordirland zu der durchsichtigeren Sorte. Es ist ein kleines Zugeständnis an den britischen Premierminister Tony Blair, wenn die Regierungschefs der USA, Großbritanniens und Irlands morgen für zweieinhalb Stunden mit Nordirlands Parteien über die Zukunft der Krisenprovinz diskutieren. Blair benötigt innenpolitische Rückenstärkung, denn seine Außenpolitik wird in den Augen vieler Wähler und auch Parteigenossen inzwischen längst in Washington entschieden.

Bushs Einsatz für den Frieden in Nordirland wird keine Folgen haben, weder positive noch negative. Hauptsächlich geht es im nordirischen Hillsborough ohnehin um den Irak nach dem Krieg, und bei diesem Thema wird es Blair erheblich schwerer fallen, bei Bush ein Zugeständnis herauszuholen. Es wäre Blairs letzte Chance, sich ein wenig von seiner Vasallentreue zu befreien, doch er wird sie nicht nutzen können.

Blairs Motive für den Angriff auf den Irak unterscheiden sich von denen von Bush und seinem Beraterkreis. Letztere geben nicht einmal vor, dass sie den Krieg aus anderen Gründen als Eigeninteresse führen, während Blair in dem naiven Glauben handelt, er sei auf die Welt gekommen, um sie zu verbessern. Unterwegs ist ihm dabei allerdings eine gehörige Portion Realismus abhanden gekommen, für den er am Anfang seiner Karriere als Labour-Chef vom konservativen Flügel seiner Partei so gelobt wurde, weil er sie damit zum Wahlsieg geführt habe. Inzwischen hat er sich Bushs Blick auf die Welt zu Eigen gemacht und Großbritannien zum bewaffneten Feigenblatt für die US-Politik degradiert.

Blairs Wunsch nach Einbindung der Vereinten Nationen in die Reformen im Irak ist nicht nur naiv, sondern heuchlerisch, hat er doch selbst erheblich dazu beigetragen, die Glaubwürdigkeit und Existenzberechtigung dieser Organisation zu untergraben. Zudem wird Bush einen Teufel tun und den UN nennenswerten Einfluss im Irak zugestehen, wenn ebendiese Organisation sich geweigert hat, seinen Krieg zu unterstützen. Bush orientiert sich lieber an Blairs Vorfahren und wird im Irak ein US-amerikanisches Protektorat einrichten, ganz ähnlich wie es die Briten dem Land nach der Eroberung Bagdads 1917 aufgezwungen haben.

Einer von George W. Bushs Vorgängern, John F. Kennedy, hatte 1963 gesagt, die Spannungen in der damaligen Welt seien hauptsächlich darauf zurückzuführen, dass sie ihr politisches und wirtschaftliches System anderen aufzwingen wollen. Kennedy meinte damit die Kommunisten.

RALF SOTSCHECK