Haffa-Brüder müssen zahlen

Landgericht München verurteilt die beiden Exchefs des Medienkonzerns EM.TV zu 1,2 Millionen bzw. 240.000 Euro Geldstrafe. Damit kommen einige der größten Geldvernichter des New-Economy-Booms ohne Haft davon. Trotzdem ein Musterurteil

aus München OLIVER HINZ

Einst war Thomas Haffa bekannt für sein großes Mundwerk. Doch nach seiner gestrigen Verurteilung scheute der Exchef von EM.TV die Journalisten. „Können wir hinten nicht raus?“, fragte der 50-Jährige seinen Anwalt im Gerichtssaal. Er meinte den abgeschirmten Ausgang für Häftlinge, um so den Kameras zu entkommen. Doch das gönnte ihm das Münchner Landgericht nicht. Diesen Service bekam voriges Jahr nur Boris Becker.

Richterin Huberta Knöringer, die schon Becker wegen Steuerhinterziehung zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe verdonnerte, verhängte gegen die Brüder Thomas und Florian Haffa hohe Geldstrafen. Thomas, Firmengründer und Exvorstandschef des Medienunternehmens, muss 1,2 Millionen Euro zahlen, sein zwölf Jahre jüngerer Bruder Florian, Exfinanzchef, 240.000 Euro. Die Summen berechnen sich aus jeweils 240 Tagessätzen. Für Thomas Haffa legte die Kammer den höchstmöglichen Satz von 5.000 Euro fest.

Das Urteil hat Signalwirkung. Die Haffas werden als erste Unternehmer in Deutschland dafür belangt, dass sie die Lage ihrer Firma falsch dargestellt haben. Im August 2000 frisierten sie den Halbjahresumsatz ihrer Firma in einer Pflichtmitteilung um viele Millionen nach oben. „Sie wussten, dass diese Zahlen falsch waren oder sie haben dies billigend in Kauf genommen“, hielt Knöringer den Brüdern vor. Auch die Manipulation des Aktienkurses durch die geschönten Halbjahreszahlen sah das Gericht als erwiesen an. Weil der Bundestag zum 1. Juli 2002 das alte Wertpapierhandelsgesetz eindampfte, wertete dies das Gericht nur als Ordnungswidrigkeit. Zum Tatzeitpunkt vor zweieinhalb Jahren hätte Kursbetrug noch als Straftat geahndet werden müssen. Nach dem neuen Wertpapierhandelsgesetz reicht für eine Verurteilung nicht mehr die Absicht, den Aktienkurs zu manipulieren. Es muss nun auch bewiesen werden, dass der Kurs tatsächlich illegal beeinflusst wurde. Doch dies gelang in dem Prozess nicht. Knöringer schalt die Politiker deshalb: Die Bundestagsdrucksachen seien alles andere als eindeutig.

Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) feierte den Richterspruch als „bahnbrechend“. „Endlich haften auch Unternehmer für das, was sie sagen“, sagte DSW-Sprecherin Daniela Bergdolt. Vor dem Urteil war ihr allerdings noch die vom Staatsanwalt geforderte achtmonatige Bewährungsstrafe für beide zu wenig. Denn der EM.TV-Skandal, der den Aktienkurs von einst über 110 Euro auf unter einen Euro stürzen ließ, kostet Anleger viel Geld.

Staatsanwalt Noll sprach von einem „guten Tag für die Aktienkultur“. Er prüft eine Revision gegen das Urteil. Nach seiner Auffassung hätte der Kursbetrug auch nach dem neuen Recht als Straftat gewertet werden müssen. Die Haffas wollen auf jeden Fall den Bundesgerichtshof anrufen, wie ein Anwalt erklärte. Ihre Verteidigung zahlt schließlich die Manager-Haftpflichtversicherung von EM.TV. Das gehe zu Lasten der Aktionäre, schimpfte ein Anlegeranwalt.

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