Masten dürfen senden

Bei Mobilfunk-Antennen sieht Bundesgerichtshof keine wissenschaftlichen Erkenntnisse über Gesundheitsgefahren. Gegenwehr abgeblockt

AUS KARLSRUHE CHRISTIAN RATH

Besorgte Bürger haben auch weiterhin keine Handhabe gegen Mobilfunkmasten in Wohngebieten. Vor dem Bundesgerichtshof (BGH) scheiterten gestern Mitglieder einer Bürgerinitiative aus dem hessischen Bruchköbel mit ihrer Klage. Es genüge bis auf weiteres, wenn die Anlagen die Grenzwerte einhielten, urteilte der BGH.

Im Turm der evangelischen Jakobus-Kirche von Bruchköbel befindet sich schon seit fünf Jahren ein Sendemast des Mobilfunkbetreibers O2. Mitglieder der Bürgerinitiative, unter anderem eine Psychotherapeutin, deren Praxis rund 100 Meter neben der Kirche liegt, klagten dagegen. Sie wollen keine Sendeanlagen in Wohngebieten. Eine Frau hat in der Zwischenzeit einen Tinnitus im Ohr bekommen, den sie auf die elektromagnetischen Felder zurückführt, außerdem schliefen sie und ihre Kinder schlecht. Ähnliche Streitigkeiten gibt es in vielen Städten und Dörfern quer durch die Republik.

Doch die Rechtslage gibt den Mobilfunkkritikern wenig Anlass zur Hoffnung. Als Eigentümer können sie im Prinzip zwar Einwirkungen auf ihre Grundstücke abwehren. „Unwesentliche“ Einwirkungen sind jedoch zu dulden, sagt das Bürgerliche Gesetzbuch. Und als unwesentlich gelten in der Regel alle Immissionen, die unterhalb der gesetzlichen Grenzwerte liegen. Auch im Fall Bruchköbel bestand kein Streit darüber, dass die Grenzwerte einer Verordnung von 1996 eingehalten worden waren.

Die Kläger machten jedoch geltend, dass hier nur Wärmeeffekte berücksichtigt worden sein, während die Verordnung mögliche „athermische“ Einwirkungen auf das Immunsystem, das Blutbild oder die Erhöhung von Krebsgefahren ignoriere. Dieser weit verbreitete Vorwurf wurde von den fünf BGH-Richtern gestern jedoch zurückgewiesen. Sie stützen sich auf eine Stellungnahme der Strahlenschutzkommission des Bundes. Danach wurden bei der Erarbeitung der Grenzwerte durchaus auch nichtthermische Effekte berücksichtigt. Allerdings seien für das konkrete Maß der noch zulässigen Feldstärken die thermischen Effekte wichtiger, weil diese nach Auffassung der Kommission eher wirksam seien.

Moniert hatten die Kläger außerdem, dass die Vorinstanzen ihre Eingabe abgewiesen hatten, ohne zuvor ein Sachverständigengutachten einzuholen. So sei ihnen die Möglichkeit genommen worden, die Fehlerhaftigkeit der Grenzwerte zu belegen. „Es gibt mindestens sieben Studien, die auf mögliche Gefahren hinweisen“, so der Klägeranwalt gestern.

Doch der BGH blieb auch an diesem Punkt hart. Ein neues Gutachten hätte nur den Stand der Wissenschaft bestätigen können. Und den definierten die Richter im Einklang mit der Strahlenschutzkommission: Es sei bisher eben nicht der Nachweis gelungen, dass die athermischen Effekte elektromagnetischer Felder zu Gesundheitsschäden führen. Schon im Jahr 2002 hatte das Bundesverfassungsgericht in einem ähnlichen Fall entschieden: Der Staat müsse keine Vorsorge für „rein hypothetische Gefahren“ leisten.