Ein bisschen Klonen geht nicht

Wer von „therapeutischer“ Stammzellforschung fantasiert, bereitet dem reproduktiven Klonen den Weg. Schäbiges Spiel mit Hoffnung und Geld

Verwerflich? Förderungswürdig?Stammzellforschung lässt sich sonicht unterteilen

Es war längere Zeit ruhig an der Front der Stammzellforscher und Klon-Propheten: keine Ufo-Sekte, kein durchgeknallter italienischer Frauenarzt, nicht mal ein paar spleenige Amerikaner, die sich oder ihre Nächsten klonen lassen wollten. Doch das Unheil schläft nicht. Bevor die ungelenk staksenden Mars-Sonden mit ihren bunten Bildern das öffentliche Interesse zu stark auf ein anderes Utopistan zu lenken drohten, haben koreanische Wissenschaftler die Medizin wieder ins rechte Licht gerückt und menschliche Embryonen geklont.

Ohne entsprechende öffentliche Inszenierung scheint so etwas heutzutage nicht mehr zu gehen. Und das funktioniert so: Man begnügt sich nicht mit einer ordinären Veröffentlichung, sondern wählt die rapid publication in der Online-Ausgabe einer Fachzeitschrift, also ohne das manchmal deutlich zeitverzögerte Erscheinen der Printversion. Durch gezielte Indiskretion wird die Information dann auch den Laienmedien gesteckt. In einer zur besten Sendezeit für die Medien in den USA anberaumten Pressekonferenz wird die Neuigkeit wenig später in die ganze Welt übertragen.

Doch ein Experiment, das die Welt verändern wird – wie immer wieder zu hören und lesen war –, ist in Korea nicht gelungen. Aus technisch-naturwissenschaftlicher Sicht war diese Entwicklung sogar abzusehen und nur noch eine Frage der Zeit. Seit Jahren sind Forscher schon dazu in der Lage, Embryonen von Mäusen, Schafen oder Rindern zu klonen und daraus nach einigen Tagen embryonale Stammzellen zu entnehmen. Dass dies jetzt auch beim Menschen gelungen ist, bezeichnet eher eine ethische denn eine wissenschaftliche Grenzüberschreitung.

Denn die geklonten Embryonen besitzen die Fähigkeit, sich zu einem Menschen zu entwickeln – wenn man sie denn lässt. Indem man ihnen am vierten oder fünften Entwicklungstag Stammzellen entnimmt, werden sie jedoch vernichtet, getötet. Diesen Prozess als „therapeutisches Klonen“ zu bezeichnen, weil sich die vage Hoffnung auf eine spätere Behandlung damit verbindet, ist Teil einer beschönigenden Akzeptanzrhetorik – es macht die Sache aber nicht besser. „Verbrauchende Embryonenforschung“ ist der treffendere Begriff für diese Vita interrupta aus dem Labor.

Gemeinhin werden alle ethischen Zweifel an der Methode mit dem Hinweis auf eine immer realistischer erscheinende Therapie schwerer Volksleiden jedoch schnell vom Tisch gewischt. Die technische Machbarkeit dominiert über das Mahnen und Warnen der Bedenkenträger. Es ist wie beim Rennen Hase gegen Igel: Die Wissenschaft schreit ständig „Bin schon da“, während die aufgeschreckte Öffentlichkeit noch überlegt, welche Wertvorstellungen gerade zu verschwinden drohen und was man dafür im Gegenzug erhält. Hauptamtliche Ethiker geben derweil den Forschern Schützenhilfe, indem sie aus den Zellstochereien im Embryo eine „Ethik des Heilens“ abzuleiten versuchen.

Dabei werden mit einer Aussicht auf Therapie falsche Hoffnungen geweckt und ungedeckte Wechsel auf die Zukunft ausgestellt. Die immer wieder in diesem Zusammenhang genannten Leiden Diabetes, Alzheimer und Parkinson werden sich mit ein paar im Labor hochgezüchteten Stammzellen nicht heilen lassen. Es ist zwar vergleichsweise einfach, im Reagenzglas ein paar Stammzellen umzuprogrammieren – dass mit Geschick, Glück und den richtigen Wachstumsfaktoren aus Herz Hirn und aus Blut Muskel werden kann, haben findige Forscher Ende der Neunzigerjahre bereits bewiesen. Daraus funktionierendes Gewebe zu machen, sie in komplexe Organe wie die Bauchspeicheldrüse oder gar das Gehirn einzupflanzen und dort auch dauerhaft zu integrieren ist allerdings etwas anderes.

Noch schwieriger, wenn nicht gar utopisch ist es, ganze Organe aus Stammzellen zu züchten, was trotzdem angesichts jeder noch so abseitigen Klonmeldung immer wieder fantasiert wird. Der dreidimensionale Aufbau einer Leber beispielsweise, ihre Zusammensetzung aus verschiedenartigen Zelltypen, wie auch die Versorgung mit Blutgefäßen und Nervenbahnen sind auf absehbare Zeit nicht zu rekonstruieren.

Was jedoch durch die fragwürdigen Experimente der Koreaner in Zukunft eher möglich sein wird, ist, geklonte Embryonen einer Frau einzupflanzen und weiterwachsen zu lassen. Damit würde in der Tat der erste Menschenklon Wirklichkeit. Zwar waren fast 300 Versuche nötig, bis Klonschaf Dolly auf die Welt kam – die anderen Embryonen starben ab oder entwickelten groteske Fehlbildungen. Und auch Dolly ging arthritisch und weit vor der Zeit an Altersbeschwerden zugrunde. Doch angeblich haben die Klon-Experimentatoren ja bereits tausende Zahlungswillige in ihrer Kartei, die, scheint’s, für eine genetische Kopie auch illegale Experimente und so manchen Fehlversuch in Kauf nehmen würden.

Die pragmatische Nähe von reproduktivem und therapeutischem Klonen macht einen unterschiedlichen Umgang mit beiden Techniken allerdings mehr als fragwürdig. Es bedarf „nur“ der Instrumentalisierung einer Frau als Leihmutter für ihren eigenen oder einen anderen geklonten Embryo, und schon wären nicht embryonale Stammzellen, sondern ein Klonbaby das Ergebnis des Zellroulettes im Labor. Die avanciertesten Techniken der künstlichen Befruchtung, der Stammzellforschung und des Klonens rücken immer dichter zusammen.

300 Versuche scheiterten. Dann kam das Klon-Schaf Dolly – und starb viel zu früh

Vor diesem Hintergrund wird es immer dringlicher, endlich zu einem weltweiten Verbot des Klonens zu kommen – und zwar des reproduktiven wie des therapeutischen. Zwar sind sich alle Länder einig, dass sie es nicht zulassen wollen, dass ein Homo xerox gezüchtet wird. Doch das therapeutische Klonen wollen sich einige der führenden Industrieländer partout nicht nehmen lassen. Dabei sind erstaunliche Rollenverteilungen entstanden. Die USA, sonst hierzulande gerne als wissenschaftliches Vorbild dargestellt, haben sich nicht zuletzt unter dem Einfluss konservativer „Lebensschützer“ gemeinsam mit Ländern wie Spanien für das Verbot beider Formen des Klonens und eine entsprechende UN-Resolution ausgesprochen. Doch viele Innovations- und Elitefreunde der deutschen Regierungskoalition sehen Stammzellforschung und therapeutisches Klonen als viel versprechenden Weg an, die lahmende deutsche Forschung wieder näher an die Weltspitze zu führen. Die utilitaristisch denkenden Briten haben sie dabei auf ihrer Seite.

Doch je weiter die Wissenschaft uns mit fragwürdigen Neuigkeiten aus dem Labor beglückt, desto weniger lässt sich die Trennung des Klonens in eine verwerfliche und eine förderungswürdige Variante aufteilen. Die Techniken sind identisch und unterscheiden sich lediglich darin, ob man das „Produkt Embryo“ der Ausschlachtung seiner Zellen zuführt oder im Mutterleib ausreifen lässt. Ein bisschen Klonen geht nicht.

WERNER BARTENS