Frieden in Aceh droht zu scheitern

Bestellte Demonstranten drohen internationaler ziviler Friedensmission, die sich darauf in die Provinzhauptstadt zurückziehen muss. Militär droht mit einer neuen Offensive

BANGKOK taz ■ Der Friedensprozess zwischen Indonesiens Regierung und Rebellen der separatistischen „Bewegung Freies Aceh“ (GAM) an der Nordspitze der Insel Sumatra steht nach nur vier Monaten auf der Kippe. Allein letzte Woche starben in nur drei Tagen mehr als 16 Menschen. Ein aufgeheizter Mob brannte zudem ein Büro der internationalen zivilen Beobachtermission in Langsa im Osten Acehs nieder. Eine andere aufgebrachte Menge umzingelte ein Beobachterquartier in Tapaktuan an der Westküste und drohte mit der Zerstörung auch dieses Büros. Die Friedensbeobachter zogen sich darauf in die Provinzhauptstadt Banda Aceh zurück.

Steve Daly vom Genfer Henri-Dunant-Zentrum, das federführend war für die Unterzeichnung des Abkommens am 9. Dezember 2002, sieht den Friedensprozess ernsthaft bedroht. Der Mob sei organisiert gewesen, die Aktionen gesteuert, so Daly. Bisher sei unklar, wer dahinter stecke.

Beobachter hingegen vermuten, dass politische und militärische Hardliner beider Seiten die Gunst der Stunde nutzen wollten. „Innerhalb der Regierung gibt es Mitglieder, die dafür offenbar exakt den Zeitpunkt des Irakkriegs gewählt haben“, meint Sidney Jones von der International Crisis Group. Andererseits hätten die Rebellen verkündet, das Abkommen sei der erste Schritt zur Unabhängigkeit, dabei sieht es einen Autonomiestatus für die Unruheprovinz vor. Jones ist überzeugt, dass beide Konfliktparteien – Militär und GAM – hinter der aufflammenden Gewalt steckten. Alle Beteiligten hätten schließlich vom 26-jährigen Konflikt profitiert und dabei viel Geld mit Drogenhandel, Erpressung und Holzeinschlag verdient.

Die hartnäckige Forderung nach Unabhängigkeit seitens einiger GAM-Mitglieder ist Jakarta ohnehin ein Dorn im Auge. Die Zentralregierung beschuldigt daher ihrerseits die Rebellen, hinter den jüngsten Attacken zu stecken. Für Sicherheitsminister Susilo Bambang Yudhoyono war dies ein willkommener Anlass zu verkünden, Präsidentin Megawati Sukarnoputri schließe militärische Aktionen in Aceh nicht mehr aus. Auch weigere sich GAM, an einem von Jakarta anberaumten Krisentreffen teilzunehmen. Gestern hingegen ruderte der Minister wieder zurück: „Ich habe gehört, GAM erwäge, an dem Treffen teilzunehmen“, zitierte ihn die Agentur Reuters. Möglicherweise sorgte dafür der Druck Japans, der EU und der USA. Das sind die potenziellen Geberländer für den wirtschaftlichen Wiederaufbau in der rohstoffreichen Provinz.

Militärisches Eingreifen wäre Jakarta laut Friedensabkommen ohnehin strikt untersagt. Schließlich war man übereingekommen, Gewalttaten in Aceh einem neu eingerichteten Gemeinsamen Sicherheitskomitee, das aus Vertretern der Regierung und GAM sowie Abgesandten des Henri-Dunant-Zentrums besteht. Ein Entsendung weiterer indonesischer Militärs wäre ein eklatanter Bruch der Genfer Friedensvereinbarung. Sollte sich die GAM allerdings tatsächlich weigern zu kooperieren, wäre das laut Sidney Jones „genau das Signal, auf das die Armee gewartet hat“. Im Aceh-Konflikt starben bisher etwa 12.000 Menschen. NICOLA GLASS