Wir nehmen nichts

Die Schweiz will den Ausbau einer Bahnstrecke in Süddeutschland bezuschussen. Doch das deutsche Verkehrsministerium stellt sich quer

aus München JÖRG SCHALLENBERG

Über ein solches Geschenk würden sich die meisten freuen. 60 Millionen Euro will das Schweizer Verkehrsministerium bereitstellen – um eine Bahnstrecke auf deutschem Boden auszubauen. Doch in Berlin will das Geld niemand haben. Im Bundesverkehrsministerium beharrt man darauf, dass jedes Land für seine Strecken selbst bezahlt.

Dabei gilt die Bahnlinie von München über Lindau in die Schweiz als international bedeutsam. Zugleich stellt sie aber ein lästiges Nadelöhr im grenzüberschreitenden Schienenverkehr dar, denn der größte Teil der Strecke ist nur eingleisig ausgebaut und entlang den 157 Kilometern zwischen dem bayerischen Geltendorf und Lindau nicht einmal elektrifiziert.

Die Deutsche Bahn AG will die Linie bis 2010 durchgehend mit einer Oberleitung versehen, um schnellere E-Loks einsetzen zu können. In einem Konzept heißt es dazu: „Die fehlenden Mittel sollen gegebenenfalls von der Schweiz zugeschossen werden.“ Der bayerische Verkehrsminister Otto Wiesheu (CSU) möchte die Strecke darüber hinaus zweigleisig haben. Dann könnten erheblich mehr Gütertransporte in den Süden laufen – zumal die Schweiz die weitere Bahnlinie auf ihrer Seite der Grenze bis spätestens 2013 durch den Gotthard-Tunnel ausbauen will.

Im Entwurf für den neuen Verkehrswegeplan der Bundesregierung sind aber nur 100 Millionen Euro reserviert, um die eingleisige Linie für schnelle Neigetechnikzüge herzugerichten. Für eine Oberleitung und weitere Gleise sind dagegen keine Gelder vorgesehen. Die Millionenhilfe aus der Schweiz könne man nicht annehmen, sagt ein Sprecher des Bundesverkehrsministeriums: „Da gilt das Territorialprinzip. Wir müssen prinzipienfest bleiben, sonst wird die Ordnung aufgeweicht.“ Außerdem sei das Angebot „ein alter Hut – darüber haben wir schon letztes Jahr mit den Schweizern gesprochen“. Und abgelehnt. Dahinter steht offensichtlich die Befürchtung, dass andere Nachbarländer dann auch Geld aus Deutschland für den Ausbau ihrer Strecken verlangen könnten. Anderswo hat man weniger Bedenken. Frankreich habe sich für Bahnlinien im Elsass bereits Schweizer Gelder gesichert, heißt es im Konzept der Deutschen Bahn.

Für den Schweizer Verkehrsminister Moritz Leuenberger ist der ungewollte Zuschuss offiziell kein Thema. Doch über seine Behörde lässt er verlauten, dass „neue Anfragen aus Deutschland natürlich geprüft“ würden.

Möglicherweise ändert Stolpe seine Meinung auch noch. Bei einem Treffen mit seinem tschechischen Amtskollegen pries er kürzlich grenzüberschreitende Verkehrswege als „Lebensadern für ein geeintes Europa“ und sagte einen zügigen Ausbau zu. Es ging allerdings um Autobahnen.