Grillfest mit Gabriel

CDU: Ex-Ministerpräsident verschwieg 141 Gutachten in Höhe von 5,1 Millionen Euro. Grüne sehen „Täuschung“ durch SPD

Aus Hannover Kai Schöneberg

Guter Rat ist nicht nur teuer, manchmal kann er auch zu bitterbösen Verstrickungen führen. Das musste gestern die SPD erfahren, als die CDU/FDP-Landesregierung Ex-Ministerpräsident Sigmar Gabriel (SPD) mit einer Liste von bislang unbekannten Beraterverträgen aus Zeiten der SPD-Regierung von 1994 bis 2002 im Parlament regelrecht hinrichtete.

Bei der Beantwortung einer CDU-Anfrage im Parlament im Oktober 2002 habe die SPD-Landesregierung unter Gabriel 141 Verträge mit einem Volumen von 5,1 Millionen Euro „eindeutig verschwiegen“, sagte gestern Finanzminister Hartmut Möllring (CDU). 368 Verträge in Höhe von gut 28 Millionen Euro hatte die SPD damals eingeräumt. Auch die grüne Fraktionschefin Rebecca Harms sprach von einer „Täuschung“ durch Gabriel. Die SPD habe damals „Informationen zurückgehalten“.

Wulff: „Geld verbrannt“

„Ich hätte mir gewünscht, dass Sie damals vor Parlament und Öffentlichkeit zu den Verträgen gestanden hätten“, sagte Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) zum „Angeklagten“. Die SPD habe mit Gutachten zur EXPO, zur Hirnklinik INI oder zum Haushalt viel Geld einfach „verbrannt“. Er habe aber auch die „Selbstgerechtigkeit“ mancher Beratungsfirmen „satt“. Selber hielten sie sich „für tolle Hechte“ und „die in der Politik für zu blöde“, ätzte Wulff. Bei „Christiansen“ hatte er im Januar den Berater-Intimus der SPD-Regierungen, Roland Berger, scharf attackiert und damit die Debatte in Niedersachsen losgetreten. „Regelmäßig“ habe die SPD an Berger „freihändig“ – das heißt ohne Ausschreibung – vergeben, triumphierte Möllring. In sieben Fällen hätte die Auftragssumme knapp unter 200.000 Euro gelegen, damit eine Ausschreibung unterbleiben konnte.

Die „Drücke-Berger“

Ein Gutachten zum „Innovationsfonds Niedersachsen“ für 199.537 Euro sei „schlicht nutzlos“ gewesen, weil Gabriel das unter Ministerpräsident Glogowski angefertigte Schreiben einfach „eingedampft“ habe. Die „Strategy Consultants“ von Berger hätten im Jahr 2002 zudem ein Haushaltsgutachten für knapp 600.000 Euro mit höchst zweifelhaftem Nutzen angefertigt. Möllring: „Das war kein Roland-Berger-Gutachten, das war ein Drücke-Berger-Gutachten“.

Die sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Schröder, Glogowski und Gabriel hätten es nicht nur häufig „komfortabel“ gefunden, „ihre politische Verantwortung weiterzureichen“, oft sei der „Erkenntnisgewinn gleich null“ gewesen, grillte Möllring die SPDler weiter. Um das Sparen durchzusetzen, hätte Berger dem Finanzministerium in einem internen Schreiben „4.500 Beratertage“ angeboten. Nur so kämen die „Kompetenzen von Roland Berger erst richtig zum Tragen“, zitierte Möllring. Das Gesamtvolumen, so heißt es weiter, nehme jedoch „Dimensionen an, die sicherlich besprechungsbedürftig sind“. Kostenpunkt: 1.600 Euro pro Berger-Tag zuzüglich Nebenkosten und Mehrwertssteuer, also gut zehn Millionen Euro.

Gabriel: „Alles Lüge“

In einem weiteren Schreiben, das der taz vorliegt, boten Berger-Berater sogar Ideen an, wo denn das Geld für neue Gutachten aufzutreiben sei. In einem Gespräch mit Mitarbeitern der Staatskanzlei hätten sie dem Berger-Mann „deutlich gemacht, dass wohl noch Mittel aus der Abteilung III für das Projekt verfügbar seien“.

Gabriel, der in der Debatte bis auf eine Rüge des Parlamentspräsidenten für ein „Feigling“ in Richtung Möllring wenig zu vermelden gehabt hatte, äußerte sich später auf einer Pressekonferenz. Es sei „eine schlichte Lüge“, dass seine Regierung 2002 die CDU-Anfrage im Landtag nicht ehrlich beantwortet habe. Allerdings könne er nicht ausschließen, dass „die Ministerien damals nicht vollständig gemeldet haben“. Die CDU habe bei ihrer Anfrage, die gestern im Parlament behandelt wurde, neben „Gutachten“ auch Beratertätigkeiten im weiteren Sinn einbezogen, die Definition der anzumeldenden Beratertätigkeiten also ausgedehnt – Gabriel sagte, die CDU habe „Schindluder“ getrieben. Nur so sei die neue Zahl zu erklären. Außerdem tauchten bei den 141 neuen „Gutachten“ auch Broschüren und Meinungsumfragen auf. Allerdings gab er zu, dass die Agentur „Odeon Zwo“ 1.780 Euro für die Beratung zur „Regierungsantrittsrede MP Gabriel“ erhalten habe. Gabriel: „Ich lag damals nach einer Bandscheiben-OP im Krankenhaus, da ist jemand gekommen.“