Aufstand der Roma in der Slowakei

Mit Plünderungen und Überfällen protestieren Roma im Osten des Landes gegen drastische Kürzungen der Sozialhilfe. Sie drohen sogar mit einem Bürgerkrieg. Die Regierung von Mikulas Dzurinda wartet erst einmal ab und weist alle Schuld von sich

AUS PRAG ULRIKE BRAUN

Bürgerkriegsähnliche Zustände herrschen seit dem Wochenende in der Slowakei. Die Roma im Osten des Landes plündern die Kaufhäuser und drohen damit, auch Privatwohnungen zu überfallen. Am Montag kam es in der Stadt Trebisov zu Auseinandersetzungen mit der Polizei. Wenn sich ihre Lebenssituation nicht verbessere, breche ein Bürgerkrieg aus, drohten einige Roma der Regierung in Bratislava.

Auslöser der Proteste ist die Sozialhilfereform der konservativen Regierung von Mikulas Dzurinda, die den Grundbetrag der Sozialhilfe von 4.000 auf 2.000 Kronen (rund 10 Euro) kürzt. Die Kürzung trifft die etwa 400.000 Roma in der Slowakei besonders hart. Vor allem in den verarmten Romasiedlungen der Ostslowakei liegt die Arbeitslosigkeit meist bei 100 Prozent und Sozialhilfe ist die einzige Einkommensquelle.

Erste Unruhen brachen bereits vor zwei Wochen aus. Vergangenen Freitag spitzte sich die Situation zu, als eine Gruppe von ungefähr 50 Roma, einschließlich Kinder, ein Lebensmittelgeschäft in Cierna nad Tisou an der ukrainischen Grenze plünderte. Am Samstag nahm die Polizei 33 Plünderer fest, die mit einer 200-köpfigen Gruppe den größten Supermarkt der Stadt Trhoviste überfallen wollten. Da die Gefängnisse im ostslowakischen Kosice mit Plünderern überfüllt sind, mussten die Verhafteten in Haftanstalten im ganzen Landkreis untergebracht werden.

Die angespannte Situation hat inzwischen schon das slowakische Roma-Parlament aufgerüttelt. Das rief die Roma der Slowakei auf, am Mittwoch öffentlich gegen die neue Sozialgesetzgebung zu demonstrieren. Sollte diese in Kraft treten, schloss der Roma-Rat Grenzblockaden sowie Massendemonstrationen vor dem Regierungsamt in Bratislava nicht aus. Andere gehen weiter: Es werde Krieg geben. „Wir haben Waffen. Was bleibt uns übrig, wenn unsere Kinder vor Hunger weinen?“, erzürnte sich einer der Demonstranten.

Roma-Vertreter appellierten derweil an die aufgebrachte Menge, die Plünderungen einzustellen. „Wir wollen nicht plündern, wir wollen arbeiten“, meinte Roma-Vertreter Ladislav Fizik. „Die Leute werden vom Hunger getrieben.“ Der Roma-Rat will die Regierung auffordern, in staatlichen Betrieben und Ämtern eine positive Diskriminierung der Roma einzuführen.

Die Regierung lässt sich Zeit. Während die Polizei in Alarmbereitschaft ist, beschloss Premier Dzurinda, keine außergewöhnliche Sitzung anzuberaumen, die Mitglieder seines Kabinetts gefordert hatten. Schuldig an den Spannungen und Plünderungen, so verbreiten regierungsnahe Quellen, sei nicht der Gesetzgeber, sondern Wucherer, bei denen viele Roma hoch verschuldet sind. So wird der schwarze Peter weitergeschoben, obwohl die Situation leicht außer Kontrolle geraten könnte. „Ich befürchte, die Leute werden die Gerechtigkeit in ihre eigenen Hände nehmen, eine Bürgerwehr gründen und beginnen, sich ihre Rechnungen bei den Roma zu holen“, sagte Robert Fico, Chef der oppositionellen Partei Smer.