Eine blutige Geschichte

Eine Gruppe namens „Deccan Mujahedin“ hat sich zu den Anschlägen bekannt. Wer steckt dahinter?

AUS BOMBAY BERNARD IMHASLY

„Deccan Mujahedin“ nannten sich die Attentäter in einem Bekenneranruf am Tag nach den Terroranschlägen in der westindischen Großstadt Bombay. Die „Deccan Mujahedin“ sind eine Gruppierung, die bislang erst einmal in Erscheinung getreten ist, und zwar bei einem Bombenanschlag vor anderthalb Jahren in der südindischen Stadt Hyderabad.

Dieser Sprengsatz detonierte kurz nach dem Ende des Freitagsgebets in der Nähe einer Moschee. Es wurde daher vermutet, dass die Bombenleger die gemäßigte Mehrheit der indischen Muslime bestrafen wollte. Aber die Täter wurden nie gefasst, weshalb die Motive der Gruppe nie mehr bekannt wurde.

Allerdings verrät schon der Name verrät ein gewisses Programm der Extremisten. Mit dem Begriff „Mujahedin“ reihen sie sich in die Reihe der internationalen islamistischen Gotteskämpfer ein. Und mit dem Wort „Deccan“ verweisen sie zugleich auf ihre lokale Identität.

Der geografische Begriff bezeichnet das Hochplateau, das sich von Zentralindien über große Teile des südindischen Dreiecks hinzieht, auf dem auch die beiden Großstädte Bangalore und Hyderabad liegen. Mit diesem Namen will die Gruppe offenbar neben der ideologischen und religiösen Verbindung auch die lokale Verwurzelung hervorheben, genauso wie es die „Indian Mujahedin“ tun.

Beides sind Gruppierungen, die erst in den vergangenen drei Jahren mit Attentaten in – hinduistischen wie islamischen – Großstädten und Pilgerzentren auf sich aufmerksam gemacht haben. Sie setzen sich damit von den bekannteren Organisationen wie „Hizbul Mujahedin“ und „Lashkar-e-Toiba“ ab. Diese operierten vor allem in Kaschmir, bevor sie in den ersten Jahren nach dem 11. September 2001 ihr Operationsfeld auf ganz Indien ausweiteten.

Ob die „Deccan Mujahedin“ und „Indian Mujahedin“ auch andeuten wollen, dass sie im Unterschied zu den Terrorgruppen aus Kaschmir nicht auf pakistanische Unterstützer und Waffenlieferanten (und damit auf al-Qaida) angewiesen sind, sondern sich lokal rekrutieren und finanzieren, bleibt unklar. Terrorismusexperten wie der Journalist Praveen Swami meinen, dass sie mit der Wahl des Namens ausdrücken wollen, dass sie nicht allein in Namen der Muslime in Kaschmir agieren, sondern auch im Namen der übrigen indischen Muslime.

Offiziellen Angaben zufolge sind 13,4 Prozent der Bevölkerung Muslime – eigentlich eine Minderheit in der hauptsächlich hinduistischen Bevölkerung, die aber immer noch 165 Millionen Menschen umfasst.

Muslime und Hindus verbindet eine konfliktreiche Geschichte, die über tausend Jahre zurückreicht und gespickt ist mit islamischen Eroberungsfeldzügen, politischer Unterwerfung und immer wieder gewaltsamen Bekehrungen. Im Jahr 1947, bei der Unabhängigkeit Indiens, mündeten die Konflikte zwischen beiden Bevölkerungsgruppen in einer Spaltung des Landes, die ebenfalls von Krieg, Gewalt und Massenvertreibung begleitet war.

Während der indische Staat die Muslime in seinem säkularen Verband willkommen hieß, blieb das Misstrauen in großen Teilen der Bevölkerung doch groß genug, um zu einer Marginalisierung der Muslime zu führen, die in Indien geblieben waren. Dies zeigt sich gerade im sozioökonomischen Profil der indischen Muslime, die praktisch in allen sozialen Indikatoren schlechter dastehen als die anderen Bevölkerungsgruppen. Auch ihr Anteil bei den Streitkräften, der Polizei oder Staatsverwaltung beträgt weniger als die Hälfte ihres Bevölkerungsanteils.

Die Eskalation des Kaschmirkonflikts vor zwanzig Jahren vergrößerte das Spannungspotenzial auf beiden Seiten, aber namentlich unter den Hindus, die sich mit der Indischen Volkspartei BJP auch politisch radikalisierten. Das antimuslimische Pogrom in Gujerat im Jahr 2002 nahmen viele junge Muslime als Zäsus wahr. Viele Muslime gelangten damals zum Schluss, dass sie in einem zunehmend hinduisierten Staat keine Zukunft mehr hätten. Zahlreiche junge Muslime wurden damit zu Lehrlingen der internationalen islamischen Terrorszene.

Das Pogrom in Gujerat war nicht ein Tiefpunkt in den Beziehungen zwischen Hindus und Muslimen, sondern bildete auch den Nährboden, auf dem sich Terrorgruppen wie die „Indian Mujahedin“ und die „Deccan Mujahedin“ bilden konnten. Denn das Gefühl von Zorn und Entfremdung war seither nicht im Kaschmir zu finden, sondern bei vielen anderen Muslime in anderen Teilen Indiens.