Alles nicht so wichtig

Als „beste Nachwuchsschauspielerin auf Hamburger Bühnen“ bekommt Lisa Hagmeister am Sonntag den Boy-Gobert-Preis verliehen. Abheben wird die junge Schauspielerin aus dem Ensemble des Thalia-Theaters deswegen nicht – aber vielleicht mit ein paar Freunden ein Wurstbrot essen

von NADINE VOGT

Es dauert lang, bis sie endlich kapiert, dass dieser Mann sie nicht liebt. Sie flirtet, kokettiert, sucht seine Nähe, aber von ihm kommt nichts. Er sieht sie überhaupt nicht, wie sie da als hässliches Entlein mit hässlicher Brille um ihn herumtanzt. Ganz langsam wird ihr klar, dass sie ihre Liebe verschwendet. Ganz langsam erkennt das naive, kindlich begeisterte Mädchen, was Sache ist. Und verlässt am Ende verletzt, aber klüger die Bühne.

Das Mädchen heißt Sonja und ist eine der Figuren in Anton Tschechows Theaterstück „Onkel Wanja“. Bei der „Onkel Wanja“-Inszenierung am Thalia Theater Hamburg ist eine der Besonderheiten, dass diese Sonja und ihr Erkenntnisprozess so viel Raum bekommen. Sonja wird in dieser Inszenierung gespielt von Lisa Hagmeister, die dafür viel Lob bekommen hat. Außerdem war Hagmeisters Gestaltung der Sonja ein Grund für die Jury der Körber-Stiftung, die 29-jährige Schauspielerin mit dem Boy-Gobert-Preis als beste Nachwuchsschauspielerin auf Hamburger Bühnen auszuzeichnen. Daneben überzeugten die Jury Hagmeisters Auftritte in „Das Letzte Feuer“ von Dea Loher und in der „Glasmenagerie“ von Tennessee Williams. Unter anderem.

Der Boy-Gobert-Preis ist mit 10.000 Euro dotiert und wird diesen Sonntag im Rahmen einer Matinee im Hamburger Thalia Theater überreicht. In den vergangenen Jahren gehörten zu den Preisträgern Ulrich Tukur, Martin Wuttke oder Fritzi Haberlandt. „Ich bin natürlich geschmeichelt, aber es ist schon absurd, wenn jemand dir sagt, dass du die Beste des Jahres bist“, sagt Lisa Hagmeister. Eine objektive Beurteilung sei in der Kunst schließlich schwierig, wenn nicht sogar unmöglich. „Ich würde nicht von Glück oder Zufall sprechen, aber so eine Auszeichnung hängt auch davon ab, ob man zur richtigen Zeit am richtigen Ort mit den richtigen Menschen ins rechte Licht gesetzt wird.“

Hagmeister ist gebürtige Berlinerin und begannt ihr Schauspielstudium mit 20 Jahren an der Berliner Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch. Nach ihrem Abschluss wurde sie im Jahr 2003 festes Ensemblemitglied am Düsseldorfer Schauspielhaus. Seit der Spielzeit 06/07 ist Hagmeister Ensemblemitglied am Thalia Theater. Im Mai 2008 spielte sie in der „Tatort“-Folge „Der frühe Abschied“ eine Hauptrolle – und bekam prompt den Sonderpreis für ihre herausragende Einzelleistung beim „Deutschen Fernseh Krimi-Preis“.

Hagmeister ist weder eine Rampensau, noch das scheue, verhuschte Mädchen, zu der viele Journalisten die Schauspielerin in der Vergangenheit stilisiert haben. Ihr mädchenhaftes Auftreten und ihre zaghafte Stimme trügen. Hagmeister ist Profi und auf dem Boden geblieben – eine Kombination, mit der sie weit gekommen ist. „Manchmal“, sagt Hagmeister, „will man auch einfach nur mit Freunden ein Wurstbrot essen.“ Nur in der Theaterwelt versacken sei geradezu ungesund. „Man fängt womöglich an, das alles zu wichtig zu nehmen.“

Das virtuose Understatement gehört zu Hagmeisters Lieblingsdisziplinen. Daneben steht eine Reihe von wichtigen Rollen, auf die sie zurückblicken kann. Ob als mutig-kämpferische „Jungfrau von Orleans“, unschuldig-naive Cecil de Volanges aus „Gefährliche Liebschaften“ oder die Sonja in „Onkel Wanja“: Julia Hagmeister ist auf keinen Typus festzulegen. „Im langweiligsten Fall ist man schön und hat keine Probleme“, sagt sie. Sonja dagegen sei herrlich „ungeliebt, hässlich und trotzdem glücklich“. Und deswegen möge sie diese Rolle so sehr.

Der Boy-Gobert-Preis 2008 wird am Sonntag, 30.11., um 11 Uhr im Thalia-Theater verliehen. Der Eintritt ist frei. Nächste Aufführungen mit Lisa Hagmeister am Thalia-Theater: „Das letzte Feuer“ am 29.11., 20 Uhr; „Onkel Wanja“ am 12.12., 20 Uhr