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: Bei Bush ist Krieg – bis zur nächsten Wahl

Die großen Kämpfe im Irak sind vorbei, hat US-Präsident George W. Bush erklärt. Das war wohl bekannt. Den Krieg gegen den Irak aber, den die USA nie offiziell erklärt haben, hat Bush nun auch nicht offiziell für beendet erklärt. Noch immer dürfen US-Soldaten auf Vertreter des gestürzten irakischen Regimes schießen – es ist ja noch Krieg. Der Großteil der Soldaten aber darf nach Hause – die Kämpfe sind ja vorbei. Saddam Hussein stellt keine Bedrohung mehr dar – er ist ja gestürzt. Der Krieg gegen den Terror aber geht weiter – al-Qaida ist ja noch nicht besiegt. Alle Optionen bleiben offen.

 Diese Rede war wie ein Abziehbild der gesamten Bush-Präsidentschaft: hochgradig inszeniert, militaristisch, ein Spiel mit den Ängsten der Menschen, gespickt mit unbewiesenen Behauptungen und glatten Lügen vor einem Publikum, das qua Berufsbeschreibung gar nicht kritisch sein kann. So sorgt Bush dafür, dass sein einziges Thema, die nationale Sicherheit, so lange aktuell bleibt, wie er es will. Wenn ihm die Mehrheit der US-Bevölkerung die Verbindung Irak–Massenvernichtungswaffen–al-Qaida abkauft – was soll dann schief gehen? In 18 Monaten steht Bush zur Wiederwahl.

 Bevor eine womöglich chaotische Nachkriegssituation den Sieg zerreden kann, schlägt sich der Präsident lieber lautstark auf die Schulter – man soll ja aufhören, wenn’s am schönsten ist. Bush weiß, dass in den nächsten Monaten innenpolitische Themen auf der Tagesordnung stehen müssen. Die Lage der Wirtschaft, der Absturz der Aktienindizes, das Bildungswesen. Er wird Aktivität zeigen und versuchen, ein Profil aufzubauen. Aber er will vor allem eins bleiben: der erfolgreiche Oberkommandierende.

 Das war das Ziel dieser Flugzeugträgerrede ans US-Publikum. Trotzdem ist auch bedeutsam, was er nicht gesagt hat: Kein Wort über die traditionellen Alliierten, die UNO, die Kriegsgegner. Lediglich Australien, Großbritannien und Polen als Hauptverbündete im Irakkrieg fanden lobende Erwähnung. Bush hat sich eine Welt geschaffen, die nur noch drei Kategorien kennt: Freunde, Feinde und Irrelevante. Im Mittelpunkt dieses Systems steht er selbst, der Rest kreist in verschiedenen Umlaufbahnen. Bei Abwahl droht der Untergang einer Galaxie.

 So scheint die Agenda bis zum Wahltermin vorgezeichnet zu sein: So kurz vor der Wahl wie kein Kandidat in den letzten 75 Jahren will Bush sich im September nächsten Jahres zum republikanischen Präsidentschaftsanwärter küren lassen, wenige Tage vor dem dritten Jahrestag der Anschläge des 11. September 2001. Ein Thema melken nennt man das. Bush muss das machen – er hat kein anderes. BERND PICKERT