Ein erfreulicher Geburtstag

Rebellenführer Guy Philippe beherrscht das halbe Haiti, bestreitet jedoch politische Ambitionen

SANTO DOMINGO taz ■ Eigentlich wollte Guy Philippe sich selbst gleich zwei Geburtstagsgeschenke machen: Die Eroberung von Port-au-Prince am Sonntag und den Sturz des haitianischen Staatspräsidenten Jean-Bertrand Aristide. Jetzt kann der derzeitige Militärchef der „Front zur Befreiung und des nationalen Wiederaufbaus“, der gestern 36 Jahre alt geworden ist, wenigstens im fernen Cap Haïtien Aristides Abreise aus der Hauptstadt feiern.

Der ehemalige Polizeiverwaltungschef hat innerhalb nur weniger Tage aus einer marodierenden Bande eine taktisch klug operierende Rebellenarmee geformt. So gelang es ihm, seine Bewaffneten zu den Herren über fünf der neun Departements in Haiti zu machen. Aber die Herrschaften der „gemäßigten“ Opposition mochten sich nie mit dem Mann gemein machen, denen sie wohl jetzt ihre Übernahme von Regierungsverantwortung verdanken. Unisono distanzierten sich die Sprecher der „Demokratischen Plattform“ von dem jungenhaft wirkenden Philippe und seiner Rebellenarmee. „Wir lehnen Gewalt ab“, hieß es. Der Rebellenführer wiederum bestreitet politische Ambitionen. Er sieht sich lediglich als Militärchef.

Für den zurückgetretenen Aristide war der Expolizeichef der Inbegriff eines Gewalttäters. Im Oktober des Jahres 2000 soll er einen Staatsstreich gegen den damaligen haitianischen Interims-Staatspräsidenten René Préval geplant haben. Dreizehn Tote gab es bei einem Überfall auf den Präsidentenpalast am 17. Dezember 2001. Der Putsch scheiterte. Philippe streitet jede Beteiligung ab. Aber alle glauben, dass er die Finger im Spiel hatte.

In den Neunzigerjahren glaubte Guy Philippe selbst einmal an den früheren Salesianerpriester Aristide. Der Sohn einer Politikerfamilie – „mein Vater war Bürgermeister unter Duvalier, meine Mutter war Bürgermeisterin unter Aristide“ – wurde Militär. In der ecuadorinanischen Militärakademie wird er unter anderem von US-Offizieren ausgebildet. Nach der Auflösung der Armee durch Aristide wurde der „junge Kadett“ Verwaltungschef der Polizei in Cap Haïtien.

Sein Bruch mit dem Präsidenten kam im Jahre 2000. „Als Sicherheitschef konnte ich mit eigenen Augen beobachten, wie die Wahlen gefälscht wurden. Ich wollte nicht mehr Mitglied dieser Polizei sein.“ Als Patriot sei es seine Pflicht, gegen Aristide zu kämpfen, sagt Philippe – so wie Castro gegen den kubanischen Diktator Fulgencio Batista gekämpft hat oder Charles de Gaulle für Frankreich. Er empfange jeden mit offenen Armen, der wie er gegen Aristide kämpfe, „auch Duvalier,“ sagte Guy Philippe noch am Abend bevor Jean-Bertrand Aristide seinen Regierungssitz verließ und als Staatspräsident zurücktrat. HANS ULRICH DILLMANN