Auslöschung der Dinosaurier

Bisher wurde der Einschlag eines Asteroiden in Mexiko für den Tod der Dinosaurier verantwortlich gemacht. Doch neuere Studien sprechen den Chicxulub-Asteroiden frei

„Vor allem Paläontologen hätten aufgrund der Fossilienfunde Bedenken gehabt“

Es passte alles so gut zusammen. Am Übergang von der Kreidezeit zum Tertiär der Erdneuzeit wurde ein massenhaftes Aussterben vieler Tierarten beobachtet. Schuld sollte ein Asteroid aus dem All sein. Als vor mehr als zehn Jahren auf der mexikanischen Halbinsel Yucatán der Chicxulub-Krater gefunden wurde, stand das geologische Urteil fest: Der Tod der Saurier und vieler mariner Lebewesen geschah durch einen Asteroideneinschlag.

Der extraterrestrische Felsbrocken hatte einen Krater von geschätzten 180 Kilometern Durchmesser geschaffen. Aufgewirbelte Staubwolken sorgten für lang andauernde Verdunkelung und unwirtliche Verhältnisse auf der Erde. Mehr als die Hälfte der damaligen Tierwelt starb aus. Doch die Hypothese vom Tod bringenden Chicxulub-Asteroiden ist ins Wanken geraten. Neue Untersuchungen von Bohrkernen aus dem Krater haben gezeigt, dass der Asteroid im Gegensatz zu herkömmlichen Aussterbeszenarien nicht für das Massensterben am Ende der Kreidezeit verantwortlich gemacht werden kann.

„Wir glauben zeigen zu können, dass der als Todeskrater berühmte Chicxulub dafür nicht das richtige Alter hat“, sagt Wolfgang Stinnesbeck vom Geologischen Institut der Universität Karlsruhe. Zusammen mit der Geowissenschaftlerin Gerta Keller von der amerikanischen Princeton University und seiner Arbeitsgruppe analysierte er Proben aus einem 2001 begonnenen internationalen wissenschaftlichen Bohrprogramm am Krater. Der Bohrkern „Yaxcopoil-1“ stammt aus einer Bohrung rund 60 Kilometer vom Zentrum des Kraters entfernt. Die Bohrkräne förderten Proben aus einer Tiefe zwischen 400 und mehr als 1.500 Metern zutage.

Zweifel an der bisher geltenden Theorie habe es immer gegeben, sagt Stinnesbeck. Vor allem Paläontologen hätten aufgrund der Fossilienfunde Bedenken gehabt. „In den letzten fünf Millionen Jahren der Kreidezeit sind Dinosaurier, Flugsaurier und marine Reptilien immer seltener geworden“, so der Geologe. Es müssten schon vorher wichtige Veränderungen der Umwelt stattgefunden haben mit allen negativen Folgen für die Tierwelt. Der Verdacht erhärtete sich, als die Wissenschaftler entdeckten, dass der Krater des Chicxulub schon weit vor der Kreide-Tertiär-Grenze entstanden sein musste, dem vermutlichen Todeszeitpunkt von Sauriern und Ammoniten.

Zwischen der so genannten Impakt-Brekkzie, der typischen Aufschlagsschicht aus geschmolzenem und wieder verfestigtem Gestein, und der Kreide-Tertiär- Grenze hatte sich über 300.000 Jahre lang in ruhigen Gewässern eine fein geschichtete, 50 Zentimeter dicke Kalksteinschicht abgelagert. Sie enthält millimetergroße Planktonorganismen mit Kalkgehäuse, die Paläontologen in die Kreidezeit einordnen. Die Schalentiere sind wie die Saurier am Ende der Kreidezeit verschwunden. Für die Geologen ist das ein untrügliches Zeichen, dass der Krater in erdgeschichtlich früheren Zeiten entstanden sein muss.

Dass die versteinerten Einzeller in den Ablagerungen normal verteilt und nicht umgelagert worden sind, wertet Stinnesbeck als weiteren Beleg für stabile Umweltverhältnisse tausende von Jahren nach dem Einschlag. „Es ist ein wichtiges Ergebnis, dass dieser Asteroid nicht zum Aussterben der Tiergruppen geführt hat“, erklärt der Forscher. Wohl habe der Einschlag neben Vulkanausbrüchen und einem gesteigerten Treibhauseffekt die Umwelt beeinflusst.

Auch die Hypothese, dass ein Asteroid das Schicksal der Dinosaurier endgültig besiegelt hat, wollen die Karlsruher Forscher nicht ausschließen. Das für Asteroideneinschläge typische Iridium sei genau an der Kreide-Tertiär-Grenze zu finden. „Wir sprechen allerdings von einem wesentlich größeren Krater als dem Chicxulub“, erklärt der Forscher, der zudem noch gefunden werden müsse. Erst der weitere Einschlag habe den Dinosauriern den Rest gegeben. „Der Alleinschuldige war der Chicxulub nicht“, ist sich Stinnesbeck sicher. EVA OPITZ