Eine Steinzeit-Venus im Regal

Alles schon gesehen? Eine Bremerin bringt Kunstwerke aus den Museen der Welt in heimische Wohnzimmer. Exakte Arbeit bei den Replikaten ist ihr unverzichtbar. Vorab erzählen die Stücke in kleinen Filmchen im Internet über sich selbst

Sieht das Wohnzimmer schon seit Ewigkeiten irgendwie langweilig aus? Ausgefallene Ideen zum Aufpeppen bietet Ingrid Blanken mit ihrem Versandhandel „museums:art“. Besondere Wünsche nimmt die Geschäftsfrau als Herausforderung an und mutiert zur Privatdetektivin, konsultiert Lexika, Kataloge, das Internet. So hat sie für eine Kundin „Fanny“ ausfindig gemacht, eine prähistorische Figurine, die als Original im Naturhistorischen Museum in Wien steht und als bronzene Kopie jetzt die Wohnung der Auftraggeberin schmückt.

„Die Fahndung hat Spaß gemacht“, nennt Blanken eine Voraussetzung für die Jagd auf historische Objekte. Voraussetzung Nummer zwei ist die zügige Aussicht auf Erfolg. Denn viel Freizeit bleibt der 47-Jährigen nicht. Seit 1999 bringt sie mit ihrem Geschäft replizierte Kunstwerke aus den Museen dieser Welt per Katalog und Internet in europäische Wohnstuben. Den „Stoff“ bekommt sie meist von den jeweiligen Museumsshops: Das kleine blaue altägyptische Nilpferd stammt aus dem Pariser Louvre, das Original der „Persischen Katze“ des modernen amerikanischen Künstlers Richard H. Recchia steht im Bostoner Museum of Fine Arts. Problemlos sei die Kontaktaufnahme selten gewesen, erzählt Blanken. Die Bostoner bestanden zunächst auf etlichen Referenzen hiesiger Museen, bevor sie sich zur Aufnahme von Geschäftsbeziehungen entschlossen. Blankens Lieblingsmuseum, das Metropolitan in New York, ziert sich bis heute, um seinen exklusiven Austausch mit anderen Museen zu wahren. „Mittelfristig“, ist die Händlerin zuversichtlich, werde ihr Vorstoß gelingen.

Authentizität gehört zu ihrem Qualitäts-Anspruch. „Anbieter, die ihre Replikate nach Augenmaß anfertigen“, hätten bei der passionierten Museumsshop-Besucherin keine Chance. Jedes Stück ihres Sortiments hat sie selbst in Augenschein genommen. „Wir unterstützen damit auch die Arbeit der Museen“, nennt sie ein Argument für ihre Pingeligkeit. Das Replikat der Venus von Willendorf aus dem Naturhistorischen Museum in Wien etwa fand vor Blankens Augen keine Gnade. Sie entschied sich schließlich für die Künstlerin Norma Thewes, die sich streng an den originalen Vorlagen orientiert. Seither kommen die prähistorischen Frauenfiguren des Blankenschen Angebots aus deren Werkstatt, wie der für Blanken obligatorische Herkunftsnachweis belegt.

Wer will, kann im Internet 60-Sekunden-Filmchen ansehen, in denen sich einige ausgewählte Objekte selbst beschreiben: „Vormittags biete ich viel Platz für Einkäufe. Abends begleite ich meine Besitzerin ins Theater“, lockt etwa die mit goldenen Hieroglyphen bedruckte Einkaufstasche und dreht sich, mal mit frischem Gemüse, mal mit Theaterprogrammen gefüllt, kokett im Scheinwerferlicht. Auch das Duplikat eines Frauenkopfes von Modigliani erzählt seine eigene Entstehungsgeschichte: Die junge Französin, die Modigliani für die Skulptur Modell gestanden hat, soll sich auf den ersten Blick in den künstlerischen Steineklopfer verschossen haben, und der habe sie „seine Muse“ genannt. Wahre Liebe à la Bohème! So behauptet jedenfalls das wohlausgeleuchtete Skulpturenduplikat.

Üppige Steinzeit-Schönheiten, die auf AbnehmerInnen warten, logieren im Keller von Ingrid Blankens Bremer Wohnhaus, den sie zum Lager für ihre Replikate umfunktioniert hat. Dass auch eine winzige Österreicherin, die eher magere Venus vom Galgenberg, ins Sortiment aufgenommen wird, dafür sorgt die Geschäftsfrau jetzt. Immerhin ist die 72 Millimeter kleine Figur mit ihren 32.000 Jahren die bislang älteste Frauenskulptur.

bit / kam

museums:art, Blankenburger Straße 11, Bremen, ☎ 430 99 66, E-Mail: call@museumsart.de, Internet: www.museumsart.de