Die schwule Nebensache

Homophobie ist im deutschen Herren-Fußball verbreiteter denn je. Sanktionen muss dabei nur fürchten, wer sich als schwul outet. Lobbyisten fordern deshalb harte Strafen für feindliche Parolen

VON JAN ZIER

„Schwarzes Schwein“, das ist – auch im Fußball – eine ernste Beleidigung, rassistisch, diskriminierend. Klare Sache. „Schwules Schwein“ hingegen, das ist zwar irgendwie „herabwürdigend und verunglimpfend“. Aber auf jeden Fall nur halb so schlimm. So sieht es zumindest die DFB-Sportgerichtsbarkeit.

Der Fußball, auch der offizielle, hat zuletzt manches unternommen, um den Rassismus in deutschen Stadien einzudämmen. Mittlerweile ist er „ein Stück weit tabuisiert“, so der Tenor einer Diskussion am Donnerstag Abend im Bremer Weserstadion. Und das ist gut so, möchte man anfügen. „Schwul“ hingegen, sagt Christian Linker, Werder-Fan und Vorstand im Bremer Rat- und Tat-Zentrum für Schwule und Lesben, „wird zunehmend ein Schimpfwort“ – in allen Gesellschaftsschichten. Und die Fans, sagt Linker, „nehmen diese Strömung auf“.

Zum Beispiel jene von Hansa Rostock, die kürzlich beim Heimspiel gegen St. Pauli lautstark skandierten „Wir haben einen Hassgegner / Das sind die schwulen Hamburger“. Der Bericht des DFB wird nachher notieren, im Rostock sei es „im Stadion zu keinen größeren Zwischenfällen gekommen“. Der DFB, sagt Hans-Jürgen Gurtowski, Schiedsrichter aus Hannover, unternimmt gegen Homophobie „gar nichts“. Wenn man mal davon absieht, dass sie mal eine Charta unterschrieben haben, die sexuelle Diskriminierung ächten soll.

Gurtwoski ist einer von wenigen seiner Zunft, die offen schwul leben. Zwar haben Schiedsrichter es da „wesentlich einfacher“ als Fußballer, sagt er. „Doch in der Bundesliga könnte sich keiner von ihnen outen, ohne seinen Posten zu verlieren.“ Und auch von den Funktionären traut sich keiner, sich als schwul zu bekennen. Doch es gibt sie, sagt Gurtwoski. John Blankenstein war einer dieser Schiedsrichter. 1990 wurde der Niederländer für die Weltmeisterschaft in Italien nominiert, von der FIFA aber wieder gestrichen. Er war in FIFA-Uniform in einer Schwulenbar gesehen worden, hieß es als Begründung.

Dass mittlerweile auch in der Bundesliga etliche homosexuelle Profis spielen, ist kein Geheimnis mehr. Wer es ist, dagegen schon. Ein Outing wäre „fatal“, sagt Gurtowski, und „nicht anders denn als Spießrutenlauf denkbar“, sagt Jutta Reichelt vom Fanclub „Egal wie, Werder gewinnt“. So wie bei Justin Fashanau, dem ersten offen homosexuellen Fußballprofi. Einst war er englischer U 21 Nationalspieler. Doch 1982 kündigte ihm Nottingham Forest: Der Manager hatte von seinen Verbindungen in die lokale Schwulenszene erfahren. 1998, acht Jahre nach seinem Coming-out, erhängte sich Fashanau, nachdem er verdächtigt wurde, mit einem 17-Jährigen verkehrt zu haben. Ähnlich tragisch endete Heinz Bonn, in den siebziger Jahren ein hoffnungsvolles Talent des Hamburger SV. Er verbarg seine Homosexualität aus Furcht vor Karriereschäden, ertränkte seine Ängste im Alkohol und wurde 1991 tot aufgefunden – ermordet von einem Strichjungen.

Und doch, sagt Gurtowski, war die Homophobie in den Stadien der 70er Jahre „nicht so präsent“ wie heute. Vor ein paar Jahren hingegen, konnte eine Fan-Gruppierung aus Bremen mit einem Transparent „Huren- und Schwulenverein Drecksundneunzig“ zum Auswärtsspiel nach Hannover reisen. Heute, sagt einer, der sich selbst einen Ultra nennt, „wäre das nicht mehr vorstellbar“. Und doch, sagt Reichelt, würden schwulenfeindliche Äußerungen in den Fankurven selten missbilligt. Ausländerfeindliche schon.

Einig sind sich die Lobbyisten in ihrer Forderung nach harten Strafen für schwulenfeindliche Parolen in den Stadien, von hohen Geldbußen für den Verein bis hin zum Ausschluss der Öffentlichkeit bei Spielen. England ist da, zumindest auf dem Papier weiter: Diskriminierung wegen sexueller Orientierung ist schon seit 2001 verboten. Wer schwulenfeindliche Parolen ruft, muss mit Stadionverbot rechnen. Hierzulande aber ist der FC St. Pauli einer von wenigen Vereinen, die entsprechendes auch in ihrer Stadionordnung festgeschrieben haben.

Und so wird es auch weiterhin Agenturen geben, die homosexuellen Fußballprofis eine selbstverständlich heterosexuelle Beziehung vermitteln, sei es auch nur für ein paar Wochen. Die Agentur wird auch dafür sorgen, dass die Medien darüber berichten und der Spieler nicht in Verdacht gerät, schwul zu sein. Nur Fußballlegende Pele durfte entsprechende Neigungen bekennen, in einem Interview mit dem brasilianischen Playboy: „Als ich 14 oder 15 war, hatte ich eine Reihe homosexueller Beziehungen. Außerdem hatte ich meine erste sexuelle Erfahrung mit einem Homosexuellen.“