Energiereicher Boden

Heute eröffnet das Zentrum für Zukunftsenergien in Bochum – Wissenschaftler aller Disziplinen forschen nach der Energie im Boden

Ganze Stadtteile in NRW-Kommunen sollen in Zukunft mit der Erdwärme versorgt werden

VON TIMO NOWACK

Nordrhein-Westfalens Zukunftsenergie soll aus Bochum kommen: Heute eröffnet an der Fachhochschule Bochum das Zentrum für Geothermie und Zukunftsenergien. Hier sollen Wissenschaftler die Grundlage schaffen, um das Land mit Energie aus Erdwärme zu versorgen.

In der Geothermie wird mit Hilfe von Bohrungen die Eigenwärme der Erde genutzt, um Wasser unterirdisch zu erhitzen und so umweltfreundlich Energie für Wärme- und Stromerzeugung zu gewinnen. „Erdwärme ist im Gegensatz zu Sonnen- und Windenergie unabhängig von den Jahres- und Tageszeiten und damit grundlastfähig“, erklärt Rolf Bracke vom Zentrum für Geothermie und Zukunftsenergien. Damit sei Erdwärme in der Lage, die Grundversorgung zu garantieren, wenn in den nächsten 20 Jahren die Hälfte der deutschen Kernkraftwerke altersbedingt ersetzt werden müssten. Ebenso notwendig sei sie, um die umwelt- und klimaschädlichen fossilen Energieträger Erdgas, Kohle und Erdöl zu ersetzen.

„Das Forschungsziel des Zentrums ist die Energieversorgung revitalisierter Industriebrachen in NRW mit Geothermie“, sagt Rolf Bracke. Dazu erarbeiten die Wissenschaftler Machbarkeitsstudien zur Versorgung ganzer Stadtteile mit Erdwärme. Im ersten Schritt sollen zehn mögliche Kraftwerkstandorte unter die Lupe genommen werden. Vier stehen schon fest: Die Gelsenkirchener Graf Bismark, das Dortmunder Phoenixgelände, die ehemalige Zeche Vicor in Castrop-Rauxel und ein noch nicht bekannter Standort in Bochum.

20 Wissenschaftler aus sechs verschiedenen Fachbereichen beteiligen sich am neuen Zentrum, denn „die geothermische Energieversorgung erfordert die Kooperation vieler Disziplinen“, sagt Bracke. Dabei sind Architekten, Bauingenieure, Elektrotechniker, Maschinenbauer, Geoinformatiker und Wirtschaftswissenschaftler. Ein Schwerpunkt des Zentrums ist die Erforschung neuer Bohrungsverfahren, denn das größte Problem der geothermischen Energiegewinnung sind die hohen Bohrungskosten. Ziel ist es, kleinere, mobile Anlagen zu entwickeln und schnell arbeitende Wasserhochdruckverfahren zu optimieren, um günstiger zu bohren.

Auf dem Campus der Bochumer Fachhochschule soll für dasZentrum ein eigenes Gebäude errichtet werden, für Lehre, Forschung und Präsentation. Rolf Bracke hofft auf den Bau im nächsten Jahr. Finanziert werden die jährlichen Kosten des Zentrums aus dem Forschungsetat der Hochschule, einem Programm des Bundesforschungsministeriums und dem „Sponsoring Zukunftsenergie“, einer Kooperation mit der Energiewirtschaft, an der sich Unternehmen aus dem In- und Ausland beteiligen. Ebenso arbeitet die FH Bochum im Zentrum für Geothermie und Zukunftsenergien mit Hochschulen aus Gelsenkirchen und Aachen zusammen. „Das Geothermiezentrum ist in seiner wissenschaftlichen Vielfalt in Deutschland einzigartig“, sagt Rolf Bracke. Experten sprechen seinem Forschungsgebiet ebenfalls einen besonderen Stellenwert zu: Sie schätzen das Potenzial der geothermischen Stromerzeugung etwa auf das 600-fache des gesamten deutschen Strombedarf.