Gift aus dem Rasensprenger

Chemische Reinigungen und Industrie haben an vielen Stellen das Grundwasser verseucht. Jetzt müssen auch im Hohentorsviertel die Gartenpumpen abgestellt werden. Sanierung dauert Jahre

taz ■ Den Verdacht gibt es schon seit Jahren, die Warnung flatterte den Anwohnern im Neustädter Hohentorsviertel zwischen Neckar- und Delmestraße unlängst per Flugblatt ins Haus: Das Grundwasser unter ihren Gärten ist mit giftigen und zum Teil krebserregenden leichtflüchtigen Kohlenwasserstoffen (LCKW) belastet. „Aus Gründen der gesundheitlichen Vorsorge“ empfiehlt das Umweltressort, das Grundwasser in dem etwa einen Quadratkilometer großen Gebiet nicht mehr zum Blumen gießen, Rasen sprengen oder Befüllen von Planschbecken zu verwenden. Nächste Woche will die Umwelt-Deputation das Problem diskutieren.

Am Flughafendamm, in der Industrie- und in der Duckwitzstraße hatten die städtischen Altlasten-Fahnder Gift im Boden entdeckt – Hinterlassenschaften früherer Reinigungen, Chemiefabriken oder Mülldeponien. Im Grundwasser vor Ort maßen sie bis zu 8.700 Mikrogramm Gift pro Liter, selbst in der hunderte von Metern entfernten Delmestraße war jeder Liter Wasser noch mit 98 Mikrogramm belastet. Ab 20 bis 50 Mikrogramm pro Liter besteht Handlungsbedarf.

Entdeckt wurden die Verunreinigungen etwa in der Industriestraße bereits vor knapp fünf Jahren – die Anwohner indes erfuhren davon nichts. Es gelte immer „zwischen Vorsorge und Panikmache“ abzuwägen, rechtfertigt sich das Umweltressort. Bevor man eine Warnung ausspreche, müsse man die Gefahr erst genau abschätzen können – sprich: wissen, bis wohin sich das Gift bereits ausgebreitet hat. Das herauszufinden aber kann dauern.

Finger weg vom Grundwasser empfielt sich auch an anderen Stellen der Stadt. Bereits vor einem Jahr etwa hatten die Behörden die Anwohner in Sebaldsbrück und in der Gartenstadt Süd beim Flughafen davor gewarnt, ihre Gartenpumpen zu benutzen. In beiden Fällen wurde der verseuchte Boden inzwischen entfernt, Pumpen drücken das Grundwasser durch große Aktivkohlefilter. Bis die Gift-Konzentration unter die Eingreif-Werte sinkt, werden allerdings noch Jahre vergehen.

Bezahlen müssen die aufwändigen Sanierungsmaßnahmen eigentlich die Verursacher – also die Firmen, die das Gift in den Boden haben sickern lassen. Das Problem: Oft sind diese längst bankrott, Geld ist auch bei den Grundstücks-Erben nicht zu holen. Für die Sanierung am Flughafendamm etwa kam die staatliche Wirtschaftsförderungsgesellschaft auf. In der Industriestraße haben die Nachfolger der dort früher angesiedelten chemischen Reinigung einen Sanierungsplan in Auftrag gegeben, in der Duckwitzstraße steht eine Antwort der Verantwortlichen noch aus. An wie vielen Stellen Bremens noch Gift im Grundwasser wabert, weiß auch Umwelt-Ressort-Sprecher Holger Bruns nicht. Nur: „Eine Gewähr für gänzlich unbelastetes Grundwasser kann es in einer Großstadt nicht geben.“ Armin Simon