„Die Container kommen nicht“

Eine Lösung für das Platzproblem in der Gerichtspsychiatrie der Klinik Ost gibt es immer noch nicht. Abgeblasen ist der Plan, Straftäter übergangsweise in Behelfsbauten unterzubringen. Frisch Verurteilte sollen jetzt nach Sachsen verlegt werden

Bremen taz ■ Der Schreck war groß, als die Pläne der Klinik Ost in Osterholz bekannt wurden: Ausgerechnet die psychisch kranken Straftäter, solche, die in der Boulevardpresse als „Kinderschänder“, als „Ofen-“ oder „Bratpfannenmörder“ bezeichnet und mit jeweils drastischen Adjektiven davor verteufelt werden, sollten in Containerbauten unterkommen. Ein hoher Zaun drum herum – und fertig wäre auf dem Gelände der Klinik Ost eine Interimslösung gewesen, die 20 Männern eine Übergangsstation hätte bieten sollen. So lange, bis der neue Erweiterungsbau der Forensik zur Mitte nächsten Jahres fertig gestellt ist. Die Arbeiten daran sollen in zwei Wochen beginnen.

Die Containerlösung ist inzwischen abgeblasen. „Die Container kommen nicht“, bestätigt die Chefärztin der Abteilung, Nahlah Saimeh. Andere Lösungen würden jetzt gesucht. Doch auf die warten alle Beteiligten nach anhaltender Überbelegung schon lange. „Wir können nicht warten, bis der Neubau nächstes Jahr kommt“, sagt der Personalrat der Klinik auf Anfrage der taz. Die Lage im Maßregelvollzug sei anhaltend dramatisch: Die Gerichtspsychiatrie – erst vor wenigen Jahren erweitert –, ist für 74 Verurteilte ausgelegt, doch wohnen dort 87 Kranke.

Die Enge ist für viele, die oft Jahre hinter Sicherheitsglas und ewig abgesperrten Türen ohne Zugang zu freiem Himmel verbringen, qualvoll. Im letzten Winkel drängen sich die Patienten. „Das ständige Aufeinandersitzen fördert Aggression“, sagt Betriebsratschef Lothar Schröder. Die Situation könne schnell eskalieren. Das gefährde nicht nur die Gesundung der Kranken – es sei auch eine enorme Belastung für die rund 90 Pflegekräfte, „die dabei Einiges abbekommen“.

Doch die Lösungssuche ist mühsam. Auf eine Anfrage des Bremer Gesundheitsressorts an alle Bundesländer, um dort Bremer unterzubringen, kamen fast nur Absagen. Überall platzt der Maßregelvollzug aus den Nähten, weil Gefangene immer seltener daraus entlassen werden. Nur das Bundesland Sachsen bot Hilfe an. Dort ist die neu gebaute Klinik auf Zuwachs ausgelegt. Bis sie voll belegt ist, können drei Bremer dort unterkommen. Die Vertragsverhandlungen darüber laufen. Sie betreffen vor allem frisch Verurteilte – die juristisch wohl kaum Chancen haben, sich gegen heimatferne Unterbringung zu wehren.

Drei Plätze in Sachsens Forensik – das ist angesichts der aktuellen Bremer Überbelegung allerdings nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Das bremische Tauziehen geht also hinter den Kulissen weiter, denn Patienten haben ein Recht auf angemessene Behandlung. Schon kursiert Lösung Nummer eins: Gefangene, die vor Lockerungen oder sogar Entlassung stehen, könnten auf reguläre Bremer Psychiatriestationen verteilt werden. Andere Bundesländern tun das auch – und Anwälte hätten angesichts einer erwarteten größeren Freizügigkeit für ihre Mandanten wohl wenig dagegen.

Diese Variante hätte zudem den Charme, dass in Zeiten zunehmender ambulanter Behandlung ein paar Klinikbetten fest belegt wären. Auch wäre ein Behördenproblem elegant gelöst, das sich erst seit der Privatisierung der Kliniken so stellt: Das Land nämlich kann die privaten Häuser zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben – wie sie die Unterbringung von Straftätern in der Gerichtspsychiatrie ist – nämlich nicht mehr verdonnern. Geschickte Verhandlung ist der Weg.

„Je besser diese Patienten behandelt werden, desto besser für die Allgemeinheit“, sagen Juristen und Gesundheitsexperten. Doch die Allgemeinheit sorgt sich um die Sicherheit. Was, wenn ein Straftäter entweicht – und womöglich erneut ein Verbrechen begeht? Eine Schreckensvision. Weswegen das Bremer Justizressort fordert, die überzähligen Forensik-Patienten auf nur eine zentrale Station zu verlegen – bei entsprechender Bewachung. Nur wohin? „Die Ressorts Gesundheit und Justiz bemühen sich einvernehmlich um eine vertretbare Lösung“, heißt die offizielle Sprachregelung, die schon seit Monaten keine Lösung gebracht hat.

Eva Rhode