Warme Semmeln auf dem Acker

Borgfeld olé: Die Grundstücke in Bremens größtem Baugebiet gehen weg wie nichts, jubeln die Baufirmen. Die Bausenatorin klatscht mit: Bremens Einwohnerverlust werde so gestoppt. Haus & Grund aber warnt: „Der Immobilien-Markt wird kleiner“

taz ■ „Ausverkauft.“ Stolz fährt Jürgen Lüthge, Geschäftsführer der Projektgesellschaft Borgfeld (PBG), mit dem Finger über den Plan an der Wand. „Borgfeld-Ost“, steht darüber: 120 Häuser, 215 Grundstücke. Zwei Häuser und gut zehn Bauplätze seien noch zu haben, von den 220 bereits erschlossenen Grundstücken und gebauten Häusern in Borgfeld-West seien bereits über zwei Drittel verkauft, vermelden die in der PBG zusammengeschlossenen Baufirmen zufrieden.

1999, eine Woche vor der letzten Bürgerschaftswahl, war der damalige Bausenator Bernt Schulte (CDU) auf den Acker kurz vor Lilienthal gereist, um den Spaten für Bremens größtes Baugebiet in den Boden zu rammen. Gestern, elf Tage vor der Bürgerschaftswahl 2003, reiste Schultes Nachfolgerin, Bausenatorin Christine Wischer (SPD), an die Landesgrenze. „Volldampf voraus im Entwicklungsgebiet“, verkündete sie im Musterhaus in „Borgfeld-West“. Und zog eine positive Bilanz: Das Riesen-Angebot an Bauplätzen und Eigenheimen in „Borgfeld-Ost“ habe mit dazu beigetragen, dass die Einwohnerzahlen Bremens gestiegen seien.

Auch in Zukunft, schlussfolgerte Wischer, müsse Bremen daher große Baugebiete vorhalten. Die detaillierten Bebauungspläne für die nächsten zweihundert Häuser wolle sie daher demnächst auf den Weg bringen. Darauf hatten insbesondere die Baufirmen Wert gelegt. Das Gerangel um die Eigenheimzulage und die dadurch ausgelöste Torschluss-Panik hatten die Nachfrage nach Häusern und Grundstücken nach oben schießen lassen. Lüthge: „Uns geht der Nachschub aus.“

Haus & Grund-Geschäftsführer Bernd Richter sieht die Zukunft der Eigenheim-Branche allerdings nicht ganz so rosig. „Der Markt wird immer kleiner“, sagt er. So seien 2002 zum ersten Mal seit 20 Jahren die Grundstückspreise in Bremen zurückgegangen, der Immobilienumsatz lag unter einer Milliarde Euro. Rückläufige Bevölkerungszahlen und sinkende Geburtenrate würden auch am Immobilienmarkt nicht spurlos vorübergehen, ist Richter überzeugt und prophezeit eine „nachhaltige Nachfrageschwäche“. Statt neuer Riesen-Baugebiete, wie sie die Stadt etwa in der Osterholzer Feldmark ausweisen will, müsse Stadtplanung künftig „kleinteilig“ denken. Ziel müsse die „intelligente Stadtschrumpfung“ sein, forderte er.

In einigen Punkten haben die Planer von Borgfeld das urspüngliche Konzept bereits den Realitäten angepasst: So werden, wie es die Nachfrage verlangt, inzwischen über die Hälfte der Grundstücke ohne Bebauung verkauft. Ursprünglich sollten auf zwei Dritteln Reihenhäuser entstehen. Die Bremer Heimstiftung will gleich am Eingang des Riesen-Neubaugebiets und gegenüber der Straßenbahn-Haltestelle ein Stiftungsdorf mit rund 80 Senioren-Wohnungen errichten, das die Altersstruktur des neuen Stadtteils erweitern wird. Und Schule, Turnhalle und Kindergarten sollen vielleicht doch schon 2005, also zwei Jahre früher als geplant zur Verfügung stehen – vorausgesetzt, der Senat übernimmt die Zinskosten der Baufirmen. Armin Simon