„Konsumenten nutzen ihre Macht nicht“

Die EU-Werbeverbote für Tabak etc. sind ein Schritt in die richtigen Richtung für kritischen Konsum, meint William Miller. Er ist Initiator des Buy Nothing Day (BND) in Berlin, der dieses Jahr bereits zum dritten Mal stattfinden soll

taz: Was macht denn einen kritischen Konsumenten aus?

William Miller: Als Konsument muss ich mir überlegen, was die eigentliche Message hinter den Werbeanzeigen ist. Zudem sollte man sich vor Erwerb eines Produkts zum Beispiel fragen, wie viele Bäume für die Herstellung abgeholzt wurden oder ob das Produkt mit Hilfe von Kinderarbeit entstanden und nur vielleicht deshalb so günstig ist.

Die Werbebranche selbst glaubt, anders als Sie, nicht an den „unmündigen Konsumenten“ der geschützt werden muss.

Konsumenten besitzen Macht, aber sie nutzen sie nicht. Dabei ist Geld ein sehr effektives Werkzeug. Aktuelle Entwicklungen wie die todesanzeigenähnlichen Texte auf den Zigarettenschachteln und die geplanten Werbeverbote der EU sind deshalb ein Schritt in die richtige Richtung.

Intelligente Werbung spielt ja bereits mit der eigenen manipulativen Wirkung. Hat das einen noch subtileren Effekt?

Anzeigen manipulieren unterschwellig. Werbung versucht jedes Produkt zu einem Feel-good-Faktor zu machen. Grundsätzlich steckt immer noch eine unterschwellige Mitteilung hinter der eigentlichen Werbeaussage. Vor allem die jüngeren Konsumenten gehen dieser unterschwelligen Mitteilung auf den Leim und glauben wirklich, dass sie weder cool noch begehrenswert sind, wenn sie ein bestimmtes Produkt nicht besitzen.

Kann denn der von Ihnen initiierte „Buy Nothing Day“ solche Konsumenten überhaupt erreichen?

Der Kalender ist mittlerweile vollgestopft mit Shopping-Tagen wie dem Valentinstag, Halloween und Weihnachten. Beim kritischen Konsumieren geht es nicht darum, niemandem etwas zu schenken, sondern über das eigene Kaufverhalten nachzudenken. Für viele Menschen ist Einkaufen schon fast eine Art Therapie geworden und immer öfter konsumieren sie auf Pump – via Kreditkarte.

Und was setzen Sie dagegen?

Das Ziel des BND ist es, Menschen mit Hintergrundinformationen zu versorgen, die sie zum Nachdenken anregen. Wir bereiten Informationen in Form von Grafiken und Spots auf, die den Leuten veranschaulichen, wie viel Ressourcen die westliche Welt im Vergleich zu den Entwicklungsländern verbraucht und wie unser Konsumverhalten die Umwelt zerstört.

Dass man mit schnellen Autos nicht gerade Naturschutz betreibt, weiß doch heute jeder.

Ja, die meisten Menschen scheren sich nicht darum, so lange sie nicht direkt davon betroffen sind. Dabei sollten wir bei allem was wir tun mehr auf die Zusammenhänge achten und uns fragen, was für Folgen unser Handeln für die Zukunft hat.

Gefährdet solch eine Einstellung nicht das notwendige Wirtschafswachstum?

Wenn wir die Umwelt zerstören, hilft uns auch eine florierende Wirtschaft nicht mehr. Grundsätzlich sind wir aber nicht gegen das Einkaufen, sondern gegen maßlosen Konsum!

Wenn Konsumenten künftig kritischer einkaufen, was ändert das?

Wir können die Schäden, die wir unserem Planeten zugefügt haben, nicht rückgängig machen. Aber wir können aufhören, alles zu verschlimmern. Sich zu engagieren bedeutet, sich vor allem selbst zu helfen.

Kommt der Kauf-Nix-Tag bei den BerlinerInnen an?

Die Leute in Berlin sind sehr offen für unsere konsumkritischen Aktionen. Zudem gibt es hier viel kreatives Potenzial und wir hoffen, dass auch künftig viele talentierte Querdenker unseren kreativen Widerstand unterstützen.

INTERVIEW: EKUA ODOI