Die Terroristen kommen, die Touristen gehen

Die Angst vor Anschlägen vergrault europäische Urlauber aus Afrika. Nach Tunesien sind jetzt Marokko und Kenia an der Reihe, und neue Reisewarnungen gelten dieser Tage für ganz Ostafrika. Dabei ist Tourismus für aufstrebende Entwicklungsländer ein wichtiger Devisenbringer

BERLIN/MADRID taz ■ Kenias Regierung wird es sich gut überlegen, bevor sie wieder einmal vor drohenden Terroranschlägen warnt. Kaum hatte Sicherheitsminister Chris Murungaru am Mittwoch wegen der mutmaßlichen Einreise des Al-Qaida-Topterroristen Fazul Abdullah Mohammed aus Somalia die höchste Alarmstufe ausgerufen, brach der Tourismus zusammen. British Airways strich seine Flüge mit sofortiger Wirkung, Deutschland sprach eine Reisewarnung aus, die USA schickten Marines an die Grenzen zu Somalia und Sudan und empfahlen ihren Staatsbürgern die Ausreise. „Das ist eine Überreaktion“, ärgerte sich am Samstag Außenminister Kalonzo Musyoka und beschwerte sich, die Welt wolle wohl Kenia „isolieren“.

Das stimmt nicht. Ganz Ostafrika gilt inzwischen für Deutsche, Amerikaner und Briten als zu meidendes Gebiet. So mahnt das Auswärtige Amt zu „erhöhter Vorsicht“ nicht nur in Kenia, sondern auch in Uganda, Tansania, Äthiopien, Eritrea und Dschibuti. Und in Marokko. Nach Jemen sowie in die afrikanischen Bürgerkriegsländer Kongo, Angola, Elfenbeinküste, Liberia und die Zentralafrikanische Republik sollen Deutsche sowieso nicht fahren, findet die Bundesregierung.

Was Marokko angeht, wäre ein Zusammenbruch des Tourismus besonders fatal. Die Regierung hofft bis zum Jahr 2010 auf eine Vervierfachung der Besucherzahl von 2,5 Millionen jährlich auf 10 Millionen. Geworben wird mit dem Klima der Toleranz im Alewitenreich. Anders als andere arabische Länder verzeichnete Marokko trotz 11. September 2001 und Irakkrieg kaum Buchungsrückgänge. Das dürfte sich jetzt nach den Anschlägen von Casablanca dramatisch ändern.

Ein Blick nach Tunesien zeigt die verheerenden Auswirkungen terroristischer Anschläge auf das Geschäft mit Sonne, Strand und Medinas. Jahrelang drohte der kleine Flughafen auf der Ferieninsel Djerba aus allen Nähten zu platzen. Doch seit im April 2002 in der ältesten nordafrikanischen Synagoge in Djerba eine Bombe 21 Menschen tötete, die meisten von ihnen europäische Urlauber, fehlen knapp 35 Prozent der einst fünf Millionen jährlichen Besucher. Ein Sektor mit 100.000 Beschäftigten, in den 90er-Jahren von Wachstumsraten bis zu 35 Prozent verwöhnt, blickt in eine ungewisse Zukunft.

In Marokko macht der Tourismus 8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus, 600.000 Arbeitsplätze hängen davon ab. In Kenia sind Touristen der größte Devisenbringer, vor dem Kaffeeexport, und bis zum Al-Qaida-Anschlag auf die US-Botschaft in Nairobi 1998 stellte das Urlaubergeschäft 20 Prozent des BIP. Davon hatte sich das Land kaum erholt, als 2002 zwei Anschläge das Urlaubsgebiet um Mombasa erschütterten. Dennoch meldete Kenias Regierung für die ersten vier Monate 2003 eine Zuwachsrate der Besucherzahlen im Jahresvergleich von 25 Prozent. Wenn die Charterflüge nicht mehr landen dürfen, ist es damit vorbei. DOMINIC JOHNSON

REINER WANDLER