lexikon der globalisierung (10)
: Was bedeutet eigentlich Innovation?

Innovation bedeutet Erneuerung und ist seit Jahrtausenden wichtiger Teil menschlicher Betätigung. Zunächst ging es um wissenschaftlich-technische, soziale und kulturelle Erneuerung. Bezogen auf die kapitalistische industrielle Revolution in Europa und Nordamerika wurde sie bald mit Fortschritt gleichgesetzt. Seitdem werden Innovationen zu einem zentralen Bewegungsgesetz der Gesellschaft überhöht und im Zuge der Globalisierung auf andere Kulturen übertragen.

Der Begriff wurde dann in der Industriegesellschaft eingeengt auf wissenschaftlich-technische Innovation: Diese sei Voraussetzung und Garant für sozialen und kulturellen Fortschritt einer Gesellschaft. Das Ergebnis von Innovation sollte in Gestalt von Produktivkraftsteigerung und Warenkonsum Wohlstand und glückliches Leben sichern. Die Arbeiterbewegung machte sich dies zu Eigen und stützte ihre Hoffnungen auf Teilhabe am materiellen Reichtum. Alles Neue, so die Ideologie der Moderne, ist besser.

Daher folgte lange Zeit eine Blindheit für die Folgen unbegrenzter Innovation und die Hoffnung, die aus ihr resultierenden sozialen und ökologischen Folgeprobleme seien durch die nächsten Innovationsschübe in den Griff zu bekommen. Seit Ende der 1970er-Jahre wächst, etwa wegen der Erfahrungen mit voreilig ausgerufenen Heilserwartungen, der Zweifel an dieser These. (So sollte im Atomzeitalter die Kernspaltung dauerhaft, ökonomisch und ungefährlich die Energieversorgung sichern). Gleichzeitig wird aber Innovation durch das ungebremste kapitalistische Gewinnstreben zunehmend zum irrationalen Selbstzweck, der nicht mehr hinterfragt wird. Es zählt dann nur noch die Innovation, die Geld bringt, und inzwischen werden Innovationen schon verkauft, bevor es sie gibt – siehe Toll Collect.

Innovation und Macht stehen in enger Beziehung zueinander. Von jeher ist ein erheblicher Teil der Erfindungskraft für Rüstungsforschung und -technik vergeudet worden. Militärtechnik und Hightech dienen der Politik als Identifikation und Fetisch. Auch demokratische Politiker haben die Neigung, sich mit wissenschaftlich-technischen Großprojekten, wie zum Beispiel einer Reise zum Mars, zu schmücken und diese zu fördern, auch wenn sie nutzlos oder gar schädlich sind. So bleiben oft nützliche, für Kapital und Politik aber unattraktive technische und gesellschaftliche Innovationen auf der Strecke. WOLFGANG NEEF