Aufgeblasene Michelinmännchen

Trash-Punk-Pop gegen sexuelle Gewalt: Sol aus Bremen spielen heute im Ponderosa Club. Das verspricht lustig zu werden. Und bringt außerdem Geld für das Mädchenprojekt „Dolle Deerns“ in der Juliusstraße, die dieses gut gebrauchen kann

von Katja Strube

Sol kommen aus Bremen, und sie spielen trashige Punk-Pop-Garage-Songs, ziemlich rockend und charmant. Sol sind Miss Non Stop, Lea do I und Meike von Land. Sie spielen Bass, Gitarre und Schlagzeug und singen dazu, mehrstimmig: auf deutsch, englisch und französisch.

Einige ihrer Stücke erinnern an Stereo Total, andere an die Lassie Singers, auf jeden Fall hüpfen sie gutgelaunt voran. Ihre Themenwahl signalisiert Humor: Sie texten über besetzte Häuser, Egoisten, über Unsinnigkeiten der Arbeitswelt und darüber, dass es beileibe nicht einfach ist, ein „simple girl“ zu sein. Sol favorisieren den SV Werder Bremen, und darüber singen sie auch. Ab und zu direkt im Fankurvensaal des Weserstadions, wo sich richtige Fans schon Stunden vor dem Spiel treffen. Alle drei besitzen Dauerkarten.

Hervorgegangen ist die Band 1999 aus Ex-Mitgliedern der Mimmis und der Linda Potatoes, die Ende der 80er Jahre in Bremen groß im Funkpunk- und Powerrockgeschäft tätig waren. Sol machen ihre Musik selbst, ihre Bandfotos und auch ihre CDs (Demo 2001, Demo 2003), die sie plattenfirmenlos nach den Konzerten verkaufen. „Wir haben viel Erfahrung mit vorherigen Bands gesammelt, genügend gute und schlechte Erlebnisse mit Labels gehabt“, sagt Sängerin und Gitarristin Lea do I. „Wir gedenken, die Chance, die wir nicht bekommen, auch nicht zu nutzen. Für kommerzielle Ziele sind wir zu alt.“

Die drei Frauen live zu sehen, verspricht ein großer Spaß zu werden. Unvergessen ihre Auftritte in Hamburg im letzten Jahr auf dem Ladyfest und in der Tanzhalle, als sie in weiße Maler-Overalls gekleidet von unten in ihre Hosenbeine fönten, so dass sie aufgeblasen wie Michelinmännchen auf der Bühne standen.

„Wir wollen die Leute mal in ihrem typischen Ausgehverhalten stören und Bands vorstellen, die nicht alle schon kennen“, sagt Ponderosa Club-Veranstalterin Christiane Stephan (Glow Girls). Gemeinsam mit Co-Organisatorin Julia Rieck lädt sie seit einem Jahr monatlich Electro- und Independentbands zum les-bi-schwulen Tanztreff ein. „Musikalisch sind ja so queere Events manchmal etwas eintönig“, so Stephan, die „noch ein bisschen mehr als House und Charts“ in die Szene bringen will.

Im Ponderosa Club wünscht man sich ein gemischtes Publikum. Jede und jeder, gleich welcher soziosexuellen Vorliebe, soll sich wohlfühlen, und wenn man dafür eines der legendären Carrera-Rennen abhält. „Aber am liebsten wollen wir, dass ganz viele female Bands spielen“, sagt Stephan, und auch Sol-Sängerin Lea do I möchte noch sehr viel mehr Frauen auf der Bühne sehen: „Macht euch bemerkbar, kommt raus aus den Proberäumen!“

Der Ponderosa Club fand bisher in der Schilleroper statt, doch dort wird es langsam zu eng. Im April zieht Ponderosa darum in den neu eröffneten Grünen Jäger an der Budapester Straße um (der Pavillon, in dem ehemals ein Jugend-Internetcafé untergebracht war), wo der Club mit dem Bonanza-Pony im Logo an jedem letzten Freitag im Monat lostraben wird.

Das Benefizkonzert morgen geht jedoch in der Roten Flora über die Bühne; dort legen später am Abend auch noch DJs Chulee, Julie Wood und Bernadette la Hengst auf. Das Eintrittsgeld bekommt das feministische Projekt Dolle Deerns – die Beratungsstelle in der Juliusstraße für Mädchen und Frauen, die Opfer von sexueller Gewalt geworden sind, wurde wie fast alle Fraueneinrichtungen vom Beust-Schill-Senat massiv zusammengekürzt.

Therapeutische Gesprächsgruppen und Telefonberatung fallen seitdem aus, finanziellen Spielraum hat Dolle Deerns keinen mehr. „Es nervt ja schon, wenn das Geld für kulturelle Projekte gestrichen wird“, sagt Christiane Stephan vom Ponderosa Club, „aber solche Orte sind echt nochmal extrem viel wichtiger.“ Und Sol-Sängerin Lea do I meint: „Kinder in Not brauchen Werbung. Wir haben auch alle Kinder – drei Musikerinnen, fünf Kinder.“ Nach diesem Konzert gehen die Sol-Frauen übrigens erstmal in Babypause.

Heute, 22 Uhr, Rote Flora