Grüne Ferien in Polen

Um langfristige Perspektiven in der Landwirtschaft zu entwickeln, setzt man in Polen auf Tourismus und Bioprodukte. Die Gäste werden hier mit selbst gemachter Butter, Sahne und Käse verköstigt

VON E. MEYER-RENSCHHAUSEN

Weronika hat gemacht, was aus Brüssel empfohlen wird, und einen Biohof eingerichtet, südöstlich von Poznan im Landschaftsschutzgebiet des Warthetals. Sie bewirtschaftet 21 Hektar einfachen Sandbodens. Wenig befahrene, aber neu asphaltierte Landstraßen führen in die auseinander gezogenen Streusiedlungen, auf denen fast nur Radfahrer unterwegs sind. Auf den umzäunten Höfen langweilen sich die Hofhunde an ihren Ketten. Hühner, Enten und Gänse laufen ihren Geschäften nach. Weronika hat hinterm Haus ihr Pferd, die zwei Kälber und ihre sechs Milchkühe. Tags verschwinden die Kühe hinter den Bäumen und verkrümeln sich auf den Weiten ihrer Weideflächen, abends kommen sie von alleine nach Hause. Die älteste der Kühe ist 20 Jahre alt und hat noch jedes Jahr ihr Kalb. Im Stall nebenan befinden sich – den Blicken der Öffentlichkeit verborgen – die sensiblen Schweine. In den weiteren Stallteilen zieht Weronika neun junge Collies und vier Kätzchen groß.

Der Hof läuft nicht so, wie Weronika sich das gedacht hat. Sie kann ihre Milch nicht mehr vermarkten und verfüttert sie an die Hunde, Katzen und Schweine. Der Rest wird verbuttert. Weronika, die ehemalige LPG-Chefin, betreibt ihren Hof aus Leidenschaft. Obwohl ihr die Aussichtslosigkeit der polnischen Biolandwirtschaft oft reichlich sauer aufstößt. Aus ihrer Sicht fehlt es an allem, vor allem an funktionierenden Vernetzungs- und Vermarktungsstrukturen. 1992 organisierte sie mit viel Aufwand eine Tagung zum biologischen Landbau. Wer nicht kam, waren die Bauern ihrer Gegend. Heute argwöhnt sie, dass die in Polen verbreitete Korruption sogar die Vernetzung der Biolandwirte in Polen unterminiert.

Jeder Vierte in Polen arbeitet im Bereich der Landwirtschaft. Aber über kurz oder lang werden 80 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe Opfer der Umstrukturierungen werden – Folge des EU-Beitritts Polens sowie der Öffnung für den Weltmarkt bereits 1994. Aber eine Entvölkerung des ländlichen Raums ist nicht im Interesse der Regierung in Warschau. Daher versucht man den Dorfbewohnern alternative Einkommensmöglichkeiten zu verschaffen. Agrartourismus und Biolandwirtschaft werden aus Brüssel als Ausweg empfohlen. Zumal die EU von Polen bereits große Interventionen zugunsten des Umweltschutzes verlangt hat. Die neuen großen Naturschutzgebiete kommen dem Tourismus zugute.

Die polnische Familienlandwirtschaft ist gleich nach der Wende mit den ersten Hochzinsprogrammen der polnischen Regierung unter Druck geraten. Seit 1994 erhalten die polnischen Bauern allzu wenig für ihre Produkte. Sie haben sich daher dem Straßenhandel zugewandt und verkaufen an den wichtigen Landstraßen ihre Pfirsiche, Äpfel, Tomaten, Gurken oder Kartoffeln direkt ab Feld.

Weronika macht uns mit Bauern ihrer Umgebung bekannt. Der Hof ihres Bruders funktioniert über einen informellen Generationenvertrag: Die ältere Generation hat sich durch Überschreibung des Hofs auf die nächste Generation verrenten lassen. Vor dem Hintergrund der Rente als sicherem Grundeinkommen betreiben die Alten die Schweinezucht mehr oder weniger allein, während das junge Paar versucht, in der Stadt Arbeit zu finden.

Wir sind mit dem Reiseführer „Grüne Ferien in Polen“ unterwegs. Durch grüne Wälder auf kaum befahrenen Straßen Richtung Südosten kommen wir zu den Janiks am Jeziorsko-Stausee. Die zwei Gästezimmer sind an diesem Wochenende schon belegt. Nachdem klar ist, dass wir gerne auch zelten, freuen sie sich über unseren Besuch. Alina und Sylvester sind ein städtisch gekleidetes Paar um die 40. Das jüngste der drei Kinder ist noch da, repariert gerade den Trecker und hilft als Übersetzer. Er spricht ein sehr gutes Englisch, seit 1994 lernen die Kinder in der Schule Englisch und Deutsch. Seine Eltern haben ihren Hof vor zehn Jahren auf Ökolandbau umgestellt. Stolz zeigen sie uns ihren nach Ökorichtlinien neu aufgeforsteten Wald. Im großen Stall stehen nachts Ziegen, Kühe und Kälber sowie Schweine gemeinsam auf dickem Strohbett. Die Janiks bewirtschaften 24 Hektar. Sie haben Flächen von Sylvesters Großmutter mit dem Hof aus Alinas Familie zusammengelegt und liegen damit deutlich über den 8,5 ha, die derzeit die durchschnittliche Hofgröße in Polen ausmachen. Sie bauen Getreide an und halten Milchziegen. Seine ehemals zehn Milchkühe hat Sylvester vor einigen Jahren auf zwei reduzieren müssen. Der extreme Fall der Milchpreise auf 15 Cent war die Ursache. Für Ökomilch gibt es keine Molkerei in der Gegend.

Alina lädt die Touristen zu Obsttorte und einem Glas schwerem, selbst gemachtem Wein auf ihre Veranda ein. Unser Interesse an der Biolandwirtschaft beflügelt sie. Fröhlich schreit sie auf ihre Zimmergäste aus Poznan ein. Die Geschäftsfrauen mit Mutter haben vom Ökolandbau wenig Ahnung, wie sie verschämt gestehen, sind aber an gesundem Essen sehr interessiert. Eine von ihnen erweist sich als versierte Übersetzerin.

So hören wir auch die traurige Geschichte von dem in Lodz geklauten VW Golf der Janiks. Das war vor zwei Jahren. Ihnen fehlt das Geld, solch eine Investition noch einmal zu tätigen. Ein kleiner Trost ist der polnische Fiat, mit dem sie immerhin bis zu den Märkten der Umgebung kommen. Damit fährt Janik jeden Samstag 30 km auf den Gemüsemarkt von Lodz. Verkaufen kann er nur wenig. Nur die Krebskranken kaufen Ökoprodukte, berichtet er verärgert. Er komme sich eher wie ein Redner und Aufklärer vor, denn er rede dort nur, statt zu verkaufen. Die mageren Verkaufserlöse reichen nicht. Deshalb geht Sylvester jedes Jahr zwei bis drei Monate nach Holland arbeiten. Alina hofft auf mehr Gäste, damit sie sie mit ihren guten Produkten, selbst gemachter Butter, Sahne, Quark und Käse, Fleisch und Marmelade, verköstigen kann.