Erst Karwoche, dann Kultwoche

In wenigen Wochen beginnt im andalusischen Sevilla das berühmteste Stadtfest Spaniens: die Feria de Abril

VON TOBIAS BÜSCHER

Tiefe Frömmigkeit und wilde Party liegen wohl in keiner Stadt Spaniens so dicht beieinander wie in Sevilla. Zu Ostern, während der Semana Santa, ziehen Schweigeprozessionen mit Büßern in Kapuzengewändern durch die Gassen. Auf tonnenschweren Podesten stehen überlebensgroße Heiligenfiguren, die Mel Gibsons Maskenbildner nicht dramatischer hätten modellieren können. Schon kurz darauf, vom 27. April bis zum 2. Mai, ist in der andalusischen Hauptstadt Schluss mit Heiliger Jungfrau und Unbefleckter Empfängnis. Beim Frühlingsfest Feria de Abril ist der Teufel los. Die Feria ist eines der attraktivsten Feste Spaniens überhaupt, ein Ereignis, das vor Lebenslust heftiger überschäumt als ein geschüttelter Cava-Sekt. Als Veranstaltungsort dient nicht etwa die geräumige Altstadt, sondern eine überdimensionale Zeltstadt knapp außerhalb des Zentrums: mit einem Grundriss von über 700 mal 1.500 Metern.

Sevilla zelebriert sich, schminkt sich, kostümiert sich und trifft sich auf dem riesigen Feria-Gelände in über 1.000 kleinen und großen Zelten (casetas). Man glaubt es kaum, aber dieses gigantische Licht-, Tanz- und Musikspektakel inklusive Stierkampf und Reiterumzügen war im 19. Jahrhundert noch eine schlichte Landwirtschaftsausstellung: Feria heißt Messe. Damals handelten die Viehhändler noch mit kastilischen Rindern und Merino-Schafen. Inzwischen sagen manche Beobachter den Sevillanern nach, ihr Lebensinhalt sei das Feiern.

Sobald um Mitternacht von Montag auf Dienstag der Gongschlag ertönt und über 30.000 Glühbirnen die Lampions beleuchten, geht es los. Señoras tratschen mit einer Nelke im Haar an den Tapasständen, Schwarzhut-Señores trinken hoch zu Ross Sherry aus Flaschen, das Stimmengewirr übertönen Sevillana-Rhythmen und Händeklatschen. In der an das Areal angrenzenden Calle del Infierno, der „Höllenstraße“, tobt ein Jahrmarkt mit Riesenrädern und Kirmesbuden. Der Lärm macht dem Straßennamen alle Ehre. Kaum jemand, der nicht mitmacht beim Jahrmarkt der andalusischen Eitelkeiten.

Das Fest beginnt um Mitternacht zum Dienstag, den 27. April. Wer kann, sollte vor dem Wochenende kommen, denn am darauf folgenden Samstag und Sonntag tummeln sich über eine Million Menschen auf dem Gelände. Die Pferdeparaden von 17 bis 18 Uhr sind besonders sehenswert. Am Nachmittag treten Toreros in der Maestranza-Arena auf und gegen 21 Uhr beginnt das Nachtleben und zieht sich bis in die Morgenstunden. Die Caseta-Zelte, die während der Feria aufgebaut werden, sind fast alle privat, also keine öffentlichen Bars! Hier kommen Freunde und Verwandte zum Plausch. Einige größere Zelte werden aber von Stadtbezirken und den politischen Parteien für die Allgemeinheit aufgestellt.

Sevillas Flughafen San Pablo liegt nur 7 km vom Zentrum entfernt. Man erreicht ihn über Madrid oder Barcelona. Der Besuch der Feria lässt sich gut mit einer Andalusien-Rundfahrt verbinden. Zu den Stränden der Costa del Sol und den Metropolen Córdoba und Granada. Für Sevilla selbst lohnen zwei Übernachtungen. Ein Tag für das Fest, ein Tag für die Stadtbesichtigung.

Information: Oficina de Turismo, Avda de la Constitución 21, Tel. +34 958221404, www.sevilla.org Übernachten: Glücklich, wer Freunde in Sevilla hat, es gibt nicht mehr viele freie Unterkünfte. Man kann sich in die Warteliste der Hotels eintragen lassen für den Fall, dass Absagen kommen. Auch das städtische Infoamt hilft weiter.Essen: Don Raimundo, Argote de Molina 26, Tel. +34 954223355. Leckere andalusische Küche nahe der Kathedrale, sonntags geschlossen. Tapas, Sherry und Wein gibt es u. a. im Viertel El Arenal. Flamenco-CDs im Netz: CDs, Bücher und Noten rund um den Flamenco gibt es unter www.mundo-flamenco.com