IM IRAK HERRSCHT CHAOS – DIE USA MÜSSEN JETZT FÜR ORDNUNG SORGEN
: Besatzung verpflichtet

Die Forderung nach einem sofortigen Ende der amerikanisch-britischen Besatzung des Irak ist fatal. Zwar ist der Wunsch verständlich, eine irakische Übergangsregierung möge das Schicksal des zerrütteten Landes in die eigenen Hände nehmen. Doch in der gegenwärtigen Lage ist das vollkommen unrealistisch.

Zwar existiert das Land Irak derzeit auf der Landkarte, der Staat Irak hat sich aber aufgelöst. Selbst die rudimentärste Infrastruktur und die einfachsten staatlichen Dienstleistungen sind alles andere als selbstverständlich. In weiten Teilen des Landes, einschließlich der Hauptstadt Bagdad, gibt es keine Sicherheit, keinen Strom und kein Telefon. Das Tagesgespräch in Bagdad dreht sich heute nicht um die politische Zukunft, sondern darum, wer gestern ausgeraubt wurde und wie viele Stunden letzte Nacht das Licht an war.

Es sind die alliierten Truppen und Zivilverwalter, die derzeit als Einzige für Sicherheit und Strom sorgen können. Dabei geht es nicht um deren Güte, den Menschen im Irak zu helfen. Die Besatzer müssen nach dem Verursacherprinzip zur Verantwortung gezogen werden. Denn eines ist nach internationalem Recht klar: „Besatzung verpflichtet.“ Es ist nicht nur beschämend, sondern auch rechtswidrig, dass die Supermacht USA und ihr Juniorpartner Großbritannien ihren Pflichten gegenüber den 25 Millionen Irakern nicht nachkommen.

So mancher Iraker sieht darin, dass die Besatzer das derzeitige Chaos zulassen, denn auch schon eine Strategie der Amerikaner, mit der sie eine Verlängerung ihres Aufenthalts legitimieren wollen. Damit bekäme Washington mehr Zeit, milliardenschwere Aufträge für den Wiederaufbau an US-Firmen zu vergeben. Das klingt zwar nur nach einer der typischen arabischen Verschwörungstheorien. Das Problem ist nur: Wie erklären Washington und London ihre „Operation Chaos“ – als schlechte Militärplanung, als Low-Budget-Besatzung oder als Absicht? Auf jeden Fall ist es an der Zeit, die Operation endlich den Notwendigkeiten anzupassen oder aber die Besatzer zur Rechenschaft zu ziehen.

KARIM EL-GAWHARY