Der Teufel sitzt im Kopf

Von Vorurteilen, Urteilen und Perspektiven des Bösen: Kardinal Karl Lehmann und Gianni Vattimo, Professor für theoretische Philosophie, versuchen sich dem Belzebub philosophisch anzunähern

von NADJA KERSCHKEWICZ

Denkt man an das Böse, so taucht vor einem das Bild des Teufels auf: mit spitzen Hörnern, Pferdefuß und langem Schwanz wartedieser auf seinem glühenden Kessel um die Sünder in der feuerzüngelnden Hölle zu schmoren und Gott zu verlachen. So bildlich dachte man sich das Böse im Mittelalter - heute sieht das Böse theologisch und philosophisch ganz anders aus. Gestern unternahmen Karl Kardinal Lehmann, Vorsitzender der Bischofskonferenz, und Gianni Vattimo, Professor für theoretische Philosophie, im Rahmen der Werkstatt „Weltanschauungen“, den Versuch, sich dem Geheimnis des Bösen theologisch und philosophisch zu nähern.

Die Frage nach dem Bösen ist ein echtes Problem für die Theologie. Denn: Vorausgesetzt es gibt Gott, wie ist dann das Böse in der Welt möglich, wie kommen Kriege zustande? Diese Frage lässt sich nur schwer mit wissenschaftlichen Theorien beantworten. Zwar kursieren in der modernen Wissenschaft Erklärungsmodelle für bestimmte Erscheinungsweisen des Bösen: ererbte Verhaltensweisen, Aggression oder Frustration. Damit lassen sich aber nur Begleiterscheinungen des Bösen beschreiben nicht aber sein Wesen bestimmen. In der katholsiceh Theologie ist das Böse kein personifiziertes Gegenprinzip zum Göttlichen, wie es in der dualistischen Konzeption gedacht wird. Das Böse kann auch nicht auf Gott selber zurückgeführt werden, wie es in der Form der monistischen Erklärung der Satanisten der Fall ist. in der katholischen Theologie liegt das Böse im Sein des Menschen und hat eine ethische Dimension. „Die entscheidene Bestimmung des Bösen liegt darin, es in einer willentlichen Abwendung freier Wesen vom Guten besteht“, so Lehmann. Weil der Mensch hat einen freien Willen hat, kann er sich eben entscheiden: zwischen dem Guten und dem Bösen „und darin liegt das Drama der Freiheit“, so Lehmann. Darum trägt er auch für sein Handeln die Verantwortung.

Für den italienischen Philosophen Vattimo lag das Problem des Bösen an einer anderen Stelle: „Das Böse ist letztlich der Glaube an das Böse“. Nach Vattimo gibt keine absolute Vernünftigkeit, sondern nur das Prinzip, im Dialog mit dem Mitmenschen zu treten, den Nächsten zu lieben und mit ihm in einer gesetzlich georndeteten Gesellschaft in Frieden zusammen zu leben. Seine Forderung: „Im Vaterunser heißt es befreie uns von dem Bösen“ sagte Vattimo, „vielleicht sollten wir dafür beten, dass er uns von dem Glauben an das Böse befreien sollte - vielleicht auch von dem Glauben, die Welt in Gut und Böse einteilen zu können, wie es derzeit in der Politik geschieht.“

Philosophische Überlegungen, theologische Erörterung und doch bleiben Fragen: Warum geschieht das Leid in der Welt? Wann übernimmt die Kirche die Verantwortung für das Böse, das der Holocaust gebracht hat? Und: Wer entscheidet eigentlich, was gut und was böse ist? In aller Kürze finden die Experten Antworten, nicht ohne darauf zu verweisen, wie komplex, problematisch und auch in vielen Teilen unergründlich das Problem des Bösen ist. Sind wir so schlau wie zuvor? Wie Hiob müssen auch die nachfolgenden Genarationen Leid, das sie als physisches Übel empfinden, als gottgewollt ertragen. Der Einzelne ist selbst Herr über seine Entscheidnugen, kann mit seinem Gewissen Gutes von Bösem trennen, damit er es nicht zulässt: dass das Böse in die Welt kommt.