Krüger kriecht zu Kreuze

Darf man evangelikale Christen mit Islamisten vergleichen? Der Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung distanziert sich von einem kritischen Text, weil Christen und Politik Druck machen

VON WOLF SCHMIDT

Es ist ein bemerkenswerter Vorgang: Auf massiven Druck von evangelikalen Organisationen hat sich die Bundeszentrale für politische Bildung von einem Beitrag in einer von ihr finanziell unterstützten Schülerzeitung distanziert. Offenbar ist der Präsident der Bundeszentrale, Thomas Krüger, auch vonseiten der Politik bedrängt worden, sich bei den bibeltreuen Christen zu entschuldigen.

„Die evangelikalen Missionare“ heißt einer der Texte, den die jugendlichen Journalisten für die aktuelle Ausgabe der Zeitung Q-Rage geschrieben hatten. Darin wird die evangelikale Bewegung in Deutschland als „gegenüber Andersgläubigen durchaus intolerant“ beschrieben, die Autoren sprechen von „erzkonservativen, zum Teil verfassungsfeindlichen Ideologien“ unter den Evangelikalen.

Die vom Projekt „Schule ohne Rassismus“ herausgegebene Zeitung erscheint in einer Auflage von einer Million Exemplaren und wird an 20.000 Schulen verschickt, auch der taz liegt sie als Beilage bei.

In einem Begleitschreiben, das an die Schulen verschickt wurde, schrieb Bundeszentralenchef Krüger: „In der Zeitung finden sich interessante Informationen, wie islamistische und evangelikale Gruppen, die wichtige Freiheitsrechte infrage stellen, Jugendliche umwerben.“

Daraufhin kam in evangelikalen Medien wie Idea oder Pro Entrüstung auf. Vertreter der Deutschen Evangelischen Allianz, des Dachverbands von 1,4 Millionen Evangelikalen, wetterten gegen die „Verunglimpfung und Beleidigung einer ganzen Gruppe bekennender evangelischer Christen“. Andere evangelikale Funktionäre verlangten Krügers Rücktritt.

Krüger distanzierte sich von dem Text – und von seinem Begleitschreiben. In dem Artikel würden „Evangelikale pauschal mit christlichen Fundamentalisten gleichgesetzt“, teilte er mit. Dies halte er „für unangemessen und nicht zutreffend“. Außerdem bot er eine Debatte zwischen den Verfassern des Textes und Vertretern der Evangelikalen an, die in der nächsten Q-Rage veröffentlicht werden sollte.

Doch das reicht dem Vorsitzenden des Kuratoriums der Bundeszentrale, dem CDU-Bundestagsabgeordneten Ernst-Reinhard Beck, nicht. „In meinem Büro stapeln sich Protestbriefe“, sagt er. Der Vergleich von Evangelikalen mit Islamisten sei „inakzeptabel“, Krügers Entschuldigung „nicht eindeutig“, teilte Beck gemeinsam mit Kuratoriumsvize Dieter Grasedieck (SPD) in einem Schreiben mit. „Wir erwarten, dass eine ausführliche Richtigstellung und eindeutige Entschuldigung durch Präsident Krüger erfolgt, unter anderem in der nächsten Ausgabe von Q-Rage.“

Krüger sagte der taz am Freitag: „Man kann Evangelikale und Islamisten nicht auf eine Stufe stellen.“ Es gebe ein breites Spektrum der Evangelikalen. „Dort sind Verletzungen entstanden, für die wir uns ohne Wenn und Aber entschuldigen wollen.“

Aus Sicht von Experten ist freilich völlig unstrittig, dass es innerhalb der evangelikalen Bewegung auch in Deutschland einen fundamentalistischen Kern gibt. Annette Kick, Weltanschauungsbeauftragte der evangelischen Landeskirche in Württemberg, würde rund 300.000 Evangelikale in Deutschland als Fundamentalisten bezeichnen, da sie an die absolute Irrtumslosigkeit der Bibel glaubten, jede andere Glaubensüberzeugung – auch die gemäßigter Christen – und die plurale Gesellschaft aggressiv ablehnten.

Auch die Evangelische Allianz, die nun Krüger mit in die Knie zwang, vereint zahlreiche dubiose Vereine unter ihrem Dach. So etwa die Offensive Junger Christen. Der Verein hatte mit einem Seminar über „Wege heraus aus homosexuellen Empfindungen“, das er beim Christival im Frühjahr in Bremen abhalten wollte, für Aufregung gesorgt. Über das Seminar, das nach Protesten schließlich abgesagt wurde, berichtet auch Q-Rage in seinem Text. Genauso über den radikalen Lebensschützerverein Die Birke, der sogar bei Vergewaltigung von Abtreibung abrät – auch dieser Verein ist mit der Allianz verbunden.

Noch vor Weihnachten will sich Krüger nun mit dem Generalsekretär der Deutschen Evangelischen Allianz, Hartmut Steeb, treffen. Er hofft auf einen „konstruktiven Austausch“.