„Die US-Kunden lieben ihre Trucks“

Detroit hat Zukunft, sagt US-Autoexperte Cole – und prophezeit Entlassungen und die Fusion von GM mit Chrysler

DAVID E. COLE, 71, ist Vorsitzender des „Center for Automotive Research“ (CAR), das die US-Autoindustrie analysiert.

taz: Herr Cole, wird Detroit die Krise überleben?

David Cole: Die Autoindustrie in diesem Land hat eine wirklich große Zukunft vor sich. Es ist notwendig, dass die Autobauer mit dem Überbrückungskredit Zeit gewinnen. Denn die Kreditkrise wird noch einige Monate anhalten. Im Februar werden wir bereits eine klarere Vorstellung davon bekommen, wie sich der Engpass weiter entwickelt. Sobald die Talsohle durchschritten sein wird, wird die Nachfrage nach Autos sprunghaft und nachholend ansteigen.

Chrysler will bis Mitte Januar die gesamte Produktion in Nordamerika stilllegen. Das klingt nicht nach großer Zukunft – sondern eher nach endgültigem Niedergang.

Keineswegs. Bei der gegenwärtigen Krise auf dem Kreditmarkt verkaufen sich Autos einfach nicht. Es wäre also verrückt, weiterhin Autos zu bauen, die niemand kaufen kann. Da hilft eine Produktionspause allemal beim Geld sparen.

Wenn in Detroit die Bänder stillstehen, erzeugt das auch politischen Druck, dem Präsident George W. Bush nun ja offenbar nachgegeben hat. War der Produktionsstopp also auch Taktik?

Mag sein, dass das die Gespräche zwischen der Regierung und der Autoindustrie, den Gewerkschaften und den Anteilseignern beeinflusst hat. Aber allen Beteiligten ist der dramatische Ernst der Lage auch so klar. Die US-Regierung weiß, dass ein Zusammenbruch der Autoindustrie unvergleichlich teurer kommt als ein Hilfspaket.

Bislang hieß es, es sei vor allem die Autoindustrie, die sich runderneuern müsste. Stimmt das doch nicht?

Diese Kritik ist einfach nicht mehr aktuell. Die Produktverbesserung der letzten Jahre war dramatisch, vor allem GM, Ford und Chrysler müsste daran noch ein bisschen arbeiten. Ich wäre daher nicht überrascht, wenn es mittelfristig zur Fusion von Chrysler und GM kommt. Die Regierung sollte zudem darauf drängen, die Überkapazitäten abzubauen. Es wurde zwar schon viel wegrationalisiert, aber da ist noch Luft drin. Natürlich wäre das kurzfristig schmerzvoll, denn es würde weitere Entlassungen bedeuten, aber langfristig ist es einem absehbaren Kollaps vorzuziehen.

Moment mal, sagen Sie etwa, dass die US-Autos ausreichend energieeffizient sind?

Wir werden sehen, wie sich die Vertreter strengerer Umweltschutzregelungen unter der neuen Administration durchsetzen. Die große Herausforderung für die US-Autoindustrie ist es, profitable Autos zu bauen, die die Leute auch wollen. Und die US-Kunden lieben nun mal ihre Trucks und Geländewagen. Auch Toyota muss in den USA mit dem Tundra und dem Sequoia die riesigen Geländewagen und Pick-ups anbieten. Trotzdem hat Toyota den Ruf, umweltfreundlich zu sein. Ich bin sicher, dass es unter der neuen Regierung Kompromisse geben wird – und zwar solche, die der Autoindustrie nicht das Geldverdienen unmöglich machen.

INTERVIEW: A. WOLTERSDORF